ein starkes Debüt!

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simonef Avatar

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Bijoux ist zwölf Jahre alt, als sie 1993 zu Beginn des Studentenaufstandes aus Kinshasa zu ihrer Tante Mira nach London geschickt wird. Mira ist schweigsam, unnahbar, und auch zwölf Jahre später haben die beiden noch keinen Draht zueinander gefunden. Als sich Bijoux in eine Frau verliebt, muss sie ihre Liebe geheim halten, denn Homosexualität gilt in der evangelikalen Kirchengemeinde, die den Mittelpunkt des Lebens der strengreligiösen Tante bildet, als „unafrikanisch“ und widernatürlich.

Christina Fonthes erzählt abwechselnd und auf verschiedenen Zeitebenen aus der Perspektive von Mira und Bijoux. Bijoux‘ Kapitel zeigen eindrücklich ihre Zerrissenheit zwischen Familie und Tradition einerseits und ihrem Wunsch, als lesbische Frau frei und selbstbestimmt leben zu können. Miras Geschichte, die im Jahr 1974 beginnt, offenbart Schritt für Schritt, wie aus dem einst fröhlichen und ausgelassenen Mädchen eine vermeintlich unerbittliche, strenge und gefühlskalte Frau wurde.

Ich liebe Romane mit Zeitsprüngen und Perspektivwechseln, und erzählerisch hat mir „Wohin Du gehst“ sehr gut gefallen. Bijoux und Mira sind glaubwürdige und vielschichtige Charaktere, in die ich mich gut hineinversetzen konnte und deren Handeln aus dem Kontext heraus für mich nachvollziehbar war, obwohl ich einen völlig anderen kulturellen Hintergrund habe.

Inhaltlich waren einige Entwicklungen für mich jedoch vorhersehbar, und der Schluss war mir ein bisschen zu dick aufgetragen. Sprachlich hat mich „Wohin Du gehst“ nicht ganz überzeugt, da sich einige Satzmuster recht oft wiederholten. So wird ein bestimmtes Parfum ganze siebenmal als „Mischung aus Vetiver, Lavendel und Moschus“ beschrieben, die honigfarbenen Augen zwei Personen werden neunmal hervorgehoben, Bijoux`“Zerfallen“ beim Liebesspiel achtmal. Auch die häufige Beschreibung diverser Kleidungsstücke, Frisuren und Gerüche hätte ich nicht gebraucht. Zum Ende hat sich noch ein kleiner Fehler eingeschlichen, da ein bestimmter medizinischer Test im Jahr 1982 erwähnt wird, der erst 1984 entwickelt wurde.

Fazit: Abgesehen von kleineren Kritikpunkten ein sehr lesenswertes Debüt!