Eindrückliches, intersektionales Porträt zweier kongolesischer Frauen
Der Debütroman der 1987 in Kinshasa geborenen Autorin Christina Fonthes überzeugt durch seine Einblicke in die Leben zweier Frauen aus Zaire/Demokratische Republik Kongo, die auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein könnten und doch eng miteinander verbunden sind. Dabei schafft es die Autorin gekonnt Intersektionalität als übergeordnetes Konstrukt immer wieder durchscheinen und lebendig auftreten zu lassen.
Wir lernen in „Wohin du auch gehst“ zwei Frauen auf zwei verschiedenen Zeitebenen kennen. Da ist zum einen Mira, deren Erzählfaden sie schon kurz als kleines Kind in 1974 in Kinshasa, Zaire, zeigt und später ganz ausführlich als 16jährige ab 1981. Sie ist eine lebensfrohe Jugendliche, die gern mit ihrer Freundin tanzen geht und dafür auch mal die gesellschaftlichen Regeln biegt. Denn sie gehört der aufsteigenden Klasse Zaires an, das Umfeld, in dem sie sich bewegt, eher den mittellosen Lebemenschen. Hals über Kopf verliebt sie sich in einen Gitarristen, was ihre Eltern gar nicht gern sehen. Und da ist Bijoux, die wir im Alter von Mitte Zwanzig im London des Jahres 2004 erstmals kennenlernen. Sie hat die ersten zwölf Jahre ihres Lebens in ihrem Geburtsort Kinshasa verbracht, musste jedoch zu ihrer strengen, sogar verbitterten Tante Mireille nach London ziehen und lebt nun noch immer dort bei ihrer Tante. Mit Tantine Mireille geht sie regelmäßig in die Kirche „The Mountain“, eine evangelikale Kirche, die unbarmherzig starren Vorstellungen folgt. Nur ist Bijoux lesbisch und seit einem Jahr in einer geheimgehaltenen Beziehung zu einer anderen Frau. Ein Lebenswandel, der für ihre rigide Tante jenseits von Gut und Böse liegt. Recht schnell wird klar, dass es sich bei ihrer Tante Mireille um die lebensfrohe und offene Mira aus dem ersten Zeitstrahl handelt und wir begeben uns über die nächsten 400 Seiten auf die Spur, um nicht nur zu erfahren, wie aus Mira diese so ganz andere Tantine Mireille werden konnte, indem wir dem Zeitstrahl aus 1981 fortschreitend folgen, wir erfahren auch, wie es mit Bijoux weitergeht und was das Leben für sie in den folgenden Jahren zu bieten oder eben nicht zu bieten hat.
Meines Erachtens verwebt Fonthes inhaltlich wie auch sprachlich geschickt diese beiden Lebenswege miteinander und leitet psychologisch unglaublich authentisch her, wie sich die Figuren fortan verhalten bzw. in der Vergangenheit verhalten habe und zu welcher Art Mensch sie haben werden müssen. Durch den gekonnten Wechsel zwischen den Erzählfäden entsteht ein unglaublicher Sog und das Buch wird ein wirklicher Pageturner, ohne dabei an Tiefe zu verlieren. Außerdem gibt der Roman Einblicke in zum Beispiel eine lesbische Szene, in der sich vorrangig Schwarze Frauen bewegen. Ein von der Mainstreamgesellschaft selten gesehenes Milieu. Wenn dann auch noch eine Figur in einem Café für lesbische Frauen auftaucht, die vollkommen alltäglich und unaufgeregt im Rollstuhl sitzt und genauso agiert, wie jede andere Frau auch im Raum, nur eben im Sitzen, ist die Intersektionalität des Textes gesetzt. Die Autorin trägt diese Eigenschaften von marginalisierten Gruppen allerdings nie zu dick auf, sie sind einfach da und fügen sich absolut ins Buch, die Geschehnisse, die Figuren ein. Die Autorin bildet die Gesellschaft mit vielen Facetten ab. Allein zum Ende hin wurde mir ein klitzekleines bisschen der Plot um die Familiengeheimnisse herum runtererzählt, was der Klasse des Gesamtwerks aber keinen Abbruch tut.
Was soll ich noch sagen? Ich hing der Autorin quasi an den Lippen, habe mit den Figuren mitgefiebert und konnte das Buch kaum aus der Hand legen. „Wohin du auch gehst“ erfüllt für mich alle Kriterien eines Highlights und das ist es auch. Also gibt es eine klare Leseempfehlung von meiner Seite für diesen interessanten Debütroman, der nach Verbindungen über Kontinente, Hautfarben, sexuelle Orientierung, Klasse und so viele Eigenschaften hinweg sucht. Toll!
4,5/5 Sterne
Wir lernen in „Wohin du auch gehst“ zwei Frauen auf zwei verschiedenen Zeitebenen kennen. Da ist zum einen Mira, deren Erzählfaden sie schon kurz als kleines Kind in 1974 in Kinshasa, Zaire, zeigt und später ganz ausführlich als 16jährige ab 1981. Sie ist eine lebensfrohe Jugendliche, die gern mit ihrer Freundin tanzen geht und dafür auch mal die gesellschaftlichen Regeln biegt. Denn sie gehört der aufsteigenden Klasse Zaires an, das Umfeld, in dem sie sich bewegt, eher den mittellosen Lebemenschen. Hals über Kopf verliebt sie sich in einen Gitarristen, was ihre Eltern gar nicht gern sehen. Und da ist Bijoux, die wir im Alter von Mitte Zwanzig im London des Jahres 2004 erstmals kennenlernen. Sie hat die ersten zwölf Jahre ihres Lebens in ihrem Geburtsort Kinshasa verbracht, musste jedoch zu ihrer strengen, sogar verbitterten Tante Mireille nach London ziehen und lebt nun noch immer dort bei ihrer Tante. Mit Tantine Mireille geht sie regelmäßig in die Kirche „The Mountain“, eine evangelikale Kirche, die unbarmherzig starren Vorstellungen folgt. Nur ist Bijoux lesbisch und seit einem Jahr in einer geheimgehaltenen Beziehung zu einer anderen Frau. Ein Lebenswandel, der für ihre rigide Tante jenseits von Gut und Böse liegt. Recht schnell wird klar, dass es sich bei ihrer Tante Mireille um die lebensfrohe und offene Mira aus dem ersten Zeitstrahl handelt und wir begeben uns über die nächsten 400 Seiten auf die Spur, um nicht nur zu erfahren, wie aus Mira diese so ganz andere Tantine Mireille werden konnte, indem wir dem Zeitstrahl aus 1981 fortschreitend folgen, wir erfahren auch, wie es mit Bijoux weitergeht und was das Leben für sie in den folgenden Jahren zu bieten oder eben nicht zu bieten hat.
Meines Erachtens verwebt Fonthes inhaltlich wie auch sprachlich geschickt diese beiden Lebenswege miteinander und leitet psychologisch unglaublich authentisch her, wie sich die Figuren fortan verhalten bzw. in der Vergangenheit verhalten habe und zu welcher Art Mensch sie haben werden müssen. Durch den gekonnten Wechsel zwischen den Erzählfäden entsteht ein unglaublicher Sog und das Buch wird ein wirklicher Pageturner, ohne dabei an Tiefe zu verlieren. Außerdem gibt der Roman Einblicke in zum Beispiel eine lesbische Szene, in der sich vorrangig Schwarze Frauen bewegen. Ein von der Mainstreamgesellschaft selten gesehenes Milieu. Wenn dann auch noch eine Figur in einem Café für lesbische Frauen auftaucht, die vollkommen alltäglich und unaufgeregt im Rollstuhl sitzt und genauso agiert, wie jede andere Frau auch im Raum, nur eben im Sitzen, ist die Intersektionalität des Textes gesetzt. Die Autorin trägt diese Eigenschaften von marginalisierten Gruppen allerdings nie zu dick auf, sie sind einfach da und fügen sich absolut ins Buch, die Geschehnisse, die Figuren ein. Die Autorin bildet die Gesellschaft mit vielen Facetten ab. Allein zum Ende hin wurde mir ein klitzekleines bisschen der Plot um die Familiengeheimnisse herum runtererzählt, was der Klasse des Gesamtwerks aber keinen Abbruch tut.
Was soll ich noch sagen? Ich hing der Autorin quasi an den Lippen, habe mit den Figuren mitgefiebert und konnte das Buch kaum aus der Hand legen. „Wohin du auch gehst“ erfüllt für mich alle Kriterien eines Highlights und das ist es auch. Also gibt es eine klare Leseempfehlung von meiner Seite für diesen interessanten Debütroman, der nach Verbindungen über Kontinente, Hautfarben, sexuelle Orientierung, Klasse und so viele Eigenschaften hinweg sucht. Toll!
4,5/5 Sterne