Große Themen überaus gut verpackt

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Der Satz „Wohin du auch gehst“ zieht sich wie ein Motto durch das Debut von Christina Fonthes, einen Roman, der sich auf mitreißende und bewegende Weise zwischen den großen Themen Diaspora, Religiosität, Patriarchat und Queerness bewegt. Auf zwei Zeitebenen werden die eng miteinander verbundenen Schicksale von Mira und Bijoux geschildert. Beide stammen aus dem ehemaligen Zaire und müssen nun in Europa ihren Weg finden. In Miras Fall führt dieser nach einer Zeit der Rebellion zu einer übersteigerten Religiosität, die ihr Denken und Handeln umfassend beeinflusst und verheerende Auswirkungen auf den Lebensweg der bei ihr aufwachsende Bijoux hat.

Christina Fonthes ist ein eindrückliches, überzeugendes und nachhallendes Porträt der afrikanischen Diaspora gelungen. Tief verwurzelt in dem Wunsch, die afrikanischen Traditionen und Ansichten auch in Europa zu erhalten, erscheint die (Glaubens)-Gemeinschaft wie ein enges, fast dörfliches Geflecht, aus dem es für Bijoux kaum einen Ausweg gibt – obwohl sie in Großbritannien lebt. Die überkommenen patriarchalischen Perspektiven bilden einen engen Käfig, der die Erwartungen und das Verhalten prägt. Erst allmählich und durch fortgesetzte Versuche des Aufbegehrens können diese bewusst gemacht und aufgeweicht werden.

Die Schilderung dieses Prozesses gelingt Fonthes hervorragend. Durch zahlreiche Rückblicke auf Miras Leben wird die Hinwendung zu einer konservativen Lebenshaltung nachvollziehbar geschildert. Ebenso allmählich und überzeugend erscheint Bijoux‘ Abkehr von diesen Normen. Dabei muss man der Autorin unbedingt zugutehalten, dass sie zu keiner Zeit ihre Themen plakativ nach vorne treibt. Im Gegenteil – die großen Anliegen des Romans schwingen im Hintergrund mit, sind präsent und spürbar, werden aber nie als Message didaktisch aufbereitet. Dafür gebührt Fonthes ein ganz großes Lob, denn allzu leicht hätte der Text zum demonstrativen feministischen Traktat werden können, das die Schicksale seiner Frauenfiguren vergisst.

Stattdessen fiebert und leidet man mit den Protagonistinnen mit, wobei die Identifikation mit Bijoux aufgrund der Ich-Perspektive deutlich leichter fällt. Mira kommt man nicht so recht nah, doch die Distanz, die in ihren Teilen durch die Erzählperspektive begründet wird, ist erwünscht und überaus sinnvoll, denn sie reflektiert auch die Tatsache, dass Mira nicht in sich selbst ruht, sich selbst fremd ist.

Auch wenn ich mir dann und wann ein bisschen mehr literarische Tiefe gewünscht hätte, ist „Wohin du auch gehst“ ein überaus lesenswerter und empfehlenswerter Roman, der trotz einiger vorhersehbarer Sequenzen immer wieder überrascht und bis zum Ende überzeugt.