Intensiver Debütroman über zwei Frauenschicksale zwischen dem Kongo und London

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downey_jr Avatar

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"Schweigen heißt nicht, dass nichts zu hören ist; Schweigen ist eine Sprache. Und wie jede Sprache muss man sie erlernen." - "Fünfzehn Jahre nach meiner Ankunft sollte ich lernen, dass man Schweigen - wie Herzen, Menschen und Versprechen - brechen kann."

Die in Kinshasa geborene Autorin Christina Fonthes erzählt in ihrem Debütroman „Wohin du auch gehst“ die Geschichte von Mira und Bjoux. Beide Frauen erzählen im Wechsel aus ihrer Perspektive. Anfangs muss man sich erstmal in den verschiedenen Zeitebenen und mit den vielen Personen zurechtfinden, aber der wunderbare und eindrückliche Schreibstil der Autorin hat mich schnell gepackt.

Gerade den Perspektivwechsel fand ich sehr gut gelungen, um die Lebensgeschichten der beiden Frauen aus Zaire/Demokratische Republik Kongo zu erzählen bzw. die beiden Schicksale miteinander zu verweben.

Auf den ersten Blick scheinen die beiden Frauen nicht viel gemeinsam zu haben. Da ist zum einen Mira (Mireille), deren Leben in Zaire ab 1974 bzw. 1981 erzählt wird. Sie gehört dort zur aufsteigenden Klasse, ist lebensfroh und bricht auch gerne mal die Regeln, um mit ihrer Freundin tanzen zu gehen. Als sie sich in einen Musiker verliebt, sind ihre Eltern davon gar nicht begeistert.

Und da ist Bijoux, die im Alter von 12 Jahren aus ihrem Geburtsort Kinshasa nach London zu ihrer strengen, religiösen Tante Mirelle gebracht wird. Dort fehlen ihr ihre Heimat und ihre Eltern; ihre Tante kennt sie überhaupt nicht. Das Leben ist geprägt von Armut, Einsamkeit und den strengen Regeln der evangelikalen Kirchengemeinde „The Mountain“, zu der ihre Tante sie mitschleppt.
2004 ist Bijoux Mitte Zwanzig und verliebt - in eine Frau. Das darf ihre Tantine Mireille nicht erfahren. Doch so wie ihre Tante möchte Bioux nicht enden ... wie kann sie ihren eigenen Weg gehen?

"Warum, Bijoux, warum?", fragte sie inständig. "Warum kannst du dann nicht aufhören -"
"Warum kann ich was nicht aufhören? Zu lieben?"

Sehr gekonnt verknüpft die Autorin sprachlich sowie inhaltlich die beiden Lebensgeschichten dieser Frauen, verbindet die Spuren der lebensfrohen Mira von damals mit der verbitterten Mireille von heute. Gegen Ende des Buches wird vor allem Mireilles Verhalten, ihr erlittenes Schicksal klarer.

"In diesem Moment hat Mira begriffen, dass ein Geheimnis ein Zahlungsmittel ist wie Geld oder der Körper - etwas, mit dem man handeln kann. - ... - Und genau wie Geld haben Geheimnisse auch einen Wert, der manchmal steigt, manchmal sinkt."

Durch die verschiedenen Erzählstränge entstand eine richtige Sogwirkung beim Lesen, Kapitel für Kapitel werden die Geheimnisse der Vergangenheit freigelegt.

Ohne hier zu viel zum weiteren Inhalt zu verraten, kann ich nur sagen, dass dieses Buch literarisch sowohl thematisch ein absolutes Highlight für mich war. Ein sehr intensiver Roman über Herkunft und Flucht, über das Leben zwischen zwei Kulturen, über Familie, Liebe und sexuelle Orientierung, über Freiheit und Selbstbestimmung.

Eine ganz klare Leseempfehlung von mir! 5 Sterne⭐️