Mitreissende Story mit wahrem Hintergrund

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Rezension zu "Wohin du auch gehst" von Christina Fonthes

Zum Inhalt:
Als Bijoux aus dem afrikanischen Kinshasa zu ihrer erzkonservativen, Jesus verehrenden Tante Mira nach London kommt, glaubt sie noch an eine rasche Rückkehr in ihre Heimat, sobald die Kriegsunruhen sich gelegt haben. Doch je länger sie dort ist, desto mehr bricht in ihr eine Welt zusammen. Sie fühlt sich eingeengt und kalt. Sehnt sich nach ihrer Mutter und nach Afrika. Als sich Bijoux in eine Frau verliebt, geht sie davon aus, dass etwas mit ihr nicht stimmt und verheimlicht die Verbindung. Das Gefühl nicht sie selbst sein zu können, bestimmt ihren Alltag. Richtig schlimm wird die Situation aber erst, als sie sich aus Verzweiflung gegenüber ihrer Tante und ihrer Mutter öffnet. Ihr Coming Out hat ungeahnte Folgen und zieht am Ende weitere Kreise durch ihre Familie, als Bijoux es je für möglich gehalten hätte. Vielleicht ist sie ihrer Tante Mira ähnlicher als gedacht?

Der Roman ist sehr spannend und kurzweilig geschrieben. Dass die Autorin es auch noch schafft, trotz rasantem Storytelling, soviel akfrikanische Kultur, Geschichte und Gesellschaftstheorie in dieses Buch zu packen, ist wirklich faszinierend.
Am Ende der Lektüre hatte ich das Gefühl wirklich ein bisschen mehr von Afrika und den Menschen dort verstanden zu haben.
Vor allem in Bezug auf deren (vermeintlich in vielen Regionen immer noch vorherrschende) Einstellung zu Homosexualität und generell von der gesellschaftlichen Norm abweichenden Lebensmodellen.

Die Geschichten der Hauptprotagonistinnen Mira und Bijoux werden abwechselnd, kapitelweise und in unterschiedlichen Zeitzonen erzählt. Anfangs war mir nicht klar, wer hier wer ist und wie die Geschichten der beiden Frauen zusammenhängen. Der Überraschungseffekt in der Mitte des Buchs war bei mir jedenfalls groß. Im positivsten Sinne!

Der Titel "Wohin du auch gehst" hat für mich nun mehrere Bedeutungen:

Erstens ist es eine Art "Code" zwischen Bijoux und ihrer Partnerin, um sich gegenseitig zu versichern, dass sie immer füreinander da sind.
Aber zweitens (und diese Bedeutung finde ich persönlich noch schöner) auch, dass egal wohin wir gehen, unsere familiären Bande, die Wurzeln unserer Heimat und auch unsere Vergangenheit, werden uns immer einholen, solange wir uns weigern hinzuschauen und uns damit auseinanderzusetzen. Und um da zu schaffen, brauchen wir eben auch oft die Hilfe anderer Menschen. Es lohnt sich immer diese anzunehmen <3