Rasanter Thriller mit Sogwirkung

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marakkaram Avatar

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Dank seiner Größe und dem makellosen Anstrich, mutete es auf kurioser Weise wie Spielzeug an, und beim Betreten der schmalen, stählernen Gangway, überkam mich plötzlich die groteske Vorstellung, die Aurora sei ein Schiff in einer Flasche - winzig, perfekt, isoliert und unwirklich -, und ich würde mit jedem Schritt, den ich mich ihr näherte, selbst weiter schrumpfen, bis ich mich ihrer Größe angepasst hatte.

Als die Journalistin Lo sich für eine Recherche auf die Jungfernfahrt des Luxuskreuzfahrtschiffes Aurora begibt, geht es in ihrem Leben grade drunter und drüber. Ein paar Tage vorher wurde sie in ihrer Wohnung überfallen, seitdem hat sie kaum noch geschlafen, sich so halb von ihrem Freund getrennt und im Gin einen Neuen gefunden.
Da ist es nicht grade verwunderlich, dass ihr niemand so wirklich glaubt, als sie in der ersten Nacht beobachtet, wie aus ihrer Nachbarkabine jemand über Bord geworfen wird. Zumal sich herausstellt, dass die Kabine leer steht und auch niemand auf hoher See vermisst wird.
Aber Lo weiss, was sie gesehen hat und da war einen Frau in der Kabine....

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Ich hatte den kleinen Hype im Vorfeld um diesen Thriller gar nicht mitbekommen und bin ziemlich unbedarft an das Buch herangegangen.
Mir gefiel die Idee. Ich mag Hotel-Geschichten und grade auf dem offenem Meer, gibt es dem Ganzen immer noch eine besondere Note und die findet man auch in "Woman in Cabin 10".
Atmosphärisch sehr dicht, hat mich dieser Thriller klasse unterhalten.

Wenn man es mal etwas genauer betrachtet, ist die Grundlage eigentlich ein klassischer Krimi, der aber tatsächlich als rasanter Thriller durchgeht.

Ab der ersten Sekunde auf der Aurora, ist man in diesem Strudel gefangen.
Das liegt zum einen an den unterschiedlichen Charakterköpfen, die mit an Bord sind und von Lo gut beobachtet und dargestellt werden.
Und zum anderen an der z. T. beklemmenden Atmosphäre. Allein schon, dass die Größe des Schiffes mit seinen grade mal 10 Kabinen-Suiten, nichts mit einem Kreuzfahrtschiff gemein hat, sondern eher an eine Yacht erinnert, verleiht dem Ganzen einen leicht klaustrophobischen Touch und Ruth Ware`s Schreibstil tut sein Übriges dazu bei.

Eins muss ich jedoch vorweg nehmen, wer Landschaftsbeschreibungen entlang der norwegischen Fjorde erwartet oder sonstige malerische Haltestellen, der wird vergeblich suchen. Ich weiss gar nicht mehr, ob ich es erwartet hatte, denn ich war so im Sog der Geschichte, dass mir das erst ganz am Ende bewusst geworden ist.

Fazit: Man muss das Rad nicht immer neu erfinden, es reicht schon, wenn eine Geschichte einfach nur großartig und spannend erzählt wird. Und das ist Ruth Ware gelungen, mit so manch einer Wendung, die man nicht kommen sieht und einem eigentlich traumhaften Setting. "Woman in Cabin 10" ist kein Psychoschocker, aber ein beklemmender Thriller.