Tiger landen auf den Füßen

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Laura Blacklock, genannt Lo, bekommt die Chance, als Journalistin über eine Fünf-Sterne-Kreuzfahrt durch die norwegischen Fjorde zu berichten. Es ist eine Bewährungsprobe für die Mutterschutzvertretung ihrer Chefin. Was sich wie eine traumhafte Chance anhört, entpuppt sich allerdings zu einer lebensgefährlichen Fahrt. Aber von Anfang an.

Ruth Ware hat ihre Protagonistin in ihrem zweiten Thriller als sperrige Person angelegt. Sie beschreibt darin die letzten beiden Septemberwochen in Los Leben. Noch vor Beginn der Reise wird die Journalistin nachts in ihrer Wohnung von einem maskierten Einbrecher überrascht. Schon hier bekommt man den Eindruck von der bildhaften Sprache der Autorin. Man hört das leise Knarzen der Schritte auf dem Fußboden, während sich der in Los Wohnung zu schaffen macht. Ebenso nah ist man dabei, als Lo verletzt wird, sich nur schwer aus einem kleinen Raum befreien kann und sie das Adrenalin wach hält. Allerdings wird nun auch schon klar, dass Lo noch weitere Probleme hat. Ihr Charakter wirkt damit labil und sprunghaft.

Der Hauptstrang der Geschichte spielt auf dem Boot, das für zehn Passagiere eine luxuriöse Unterkunft auf See darstellt. Zu Beginn der Jungfernfahrt lässt Ware einen Steward die Anordnung der Decks und die wichtigsten Gäste beschreiben. Die Zeit auf See wird von Lo in Ich-Form erzählt. Dass es sicher nicht so beschaulich bleibt, lassen zwei Mails erahnen, die nur wenig später in Los Postfach unbeantwortet bleiben. Die Vorausschau wird hier als Spannungselement eingesetzt. Bis man selber allerdings an den Punkt kommt, wo man sich alles zusammenreimen kann, dauert es noch ein paar Abschnitte.

Die Idee, nur eine überschaubare Menge an Verdächtigen für ein Verbrechen zur Verfügung zu haben, ist so alt wie der Krimi selbst. Trotzdem finde ich es immer wieder spannend, wie in einer so kleinen Gruppe so viele Windungen entstehen können, dass sich ein unbedingt Verdächtiger doch wieder als unschuldig erklärt. Wie Lo traut man bald niemandem mehr. Ein versierter Leser wird vielleicht eher auf die einzig mögliche Lösung kommen. Ich habe mich aber von den Wellen tragen lassen und mich auf die Führung durch die Autorin eingelassen. Manche Stellen hätten nicht ganz so ausführlich sein müssen oder sich gar wiederholen, um zu verstehen, wie bedrückend und gleichzeitig aufwühlend die Situation sein muss. Da die Filmrechte bereits verkauft sind, dürfen wir uns auch auf einen Actionfilm im Stil von Die Hard freuen. Beim Lesen habe ich mich jedenfalls gerne auf die Planken der Aurora Borealis begeben und mich von den 350 Seiten gut unterhalten lassen.