Zu oberflächlich

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Meinung
Laura Miller ist die Herausgeberin dieses knapp dreihundert Seiten starken Nachschlagewerkes und vereint darin knapp dreitausend Jahre Geschichten(-erzählen). Wer jedoch das Werk von Huw Lewis-Jones aus dem gleichen Verlag kennt, wird enttäuscht sein. Die hier versammelten Autoren konzentrieren sich mehr auf kurze Informationsabsätze zum Autor und seiner (Schreib-)Motivation. Dabei erhalten die meisten Werke leider nur eine Doppelseite, oft mit großen – aber dafür wirklich sehenswerten – Illustrationen. Viel zu lesen gibt es daher so gesehen leider nicht, da oft eine kleine Inhaltszusammenfassung enthalten ist; die meisten Beiträge erinnern eher an Blogbeiträge. Zudem sind die bekanntesten Werke herausgesucht worden, die jeder Historien- oder Phantastikbegeisterte kennt, so dass auch diesbezüglich kaum ein Mehrwert gegeben ist.
Millers Buch wurde wie folgt aufgeteilt:
Mythen und Legenden
Wissenschaft und Romantik
Das Goldene Zeitalter der Fantasy
Neue Weltordnung
Das Computerzeitalter

Neues zu erfahren, erscheint in „Wonderlands“ schwierig, es gelingt hier und da aber doch. Besonders für jene, die die alten Klassiker oft nur als Film kennengelernt haben, könnten die Informationen hilfreich sein.
Was mir persönlich das Lesen aber recht vermiest hat, waren die vielen eingebauten politischen und gesellschaftlichen Ansichten der jeweiligen Autoren, oft in kurzen Kommentaren, die völlig unpassend im Text untergebracht waren. Natürlich kann man von einem Werk, das mehrere hundert oder sogar tausend Jahre auf dem Buckel hat, nicht die gleichen Standards erwarten, die wir alle heute für wichtig erachten (sollen). Und natürlich ist in etwa Sexismus in einigen vorzufinden. In der Zusammenfassung bei „Die Zeitmaschine“ wird erwähnt, dass der Erzähler sich in einer Runde mit anderen zusammensetzt „natürlich alles Männer“. Ach was! Die aus dem Gedächtnis zitierte Anmerkung steht in Klammern, nur warum steht sie überhaupt da und wurde nicht vom Lektor oder Herausgeber gestrichen? Schlimmer ist es an einer anderen Stelle, noch im ersten Drittel, als tatsächlich eine kurze Passage aus dem Buch zitiert wurde und davor in etwa notiert steht: „Blabla und hier der typische Autorenname-Kitsch“. In dem gesamten Artikel zu besagtem Autor / Werk ist zu spüren, dass der Verfasser absolut nichts von beidem hält. An dieser Stelle wäre für Millers Buch und mich fast Schluss gewesen, da ich Dinge dieser Art in einem Werk wie „Wonderlands“ äußerst unpassend finde. Und das nicht nur, weil ich mir selbst eine Meinung bilden kann. Die Auswahl der neueren Bücher in dieser Sammlung spricht übrigens dazu eine eigene Sprache. Es ist also anzunehmen, dass die einzelnen Werke und was sie in ihrer Zeit (!) mit ihren eigenen Standards (!) zu tun vermocht haben, heute nur noch zweitrangig sind. Es scheint mehr eine Rolle zu spielen, was es Drumherum mitbringt.
„Wonderlands“ nun ist durchaus nett anzuschauen, die Aufmachung ist sehr gelungen. Durchgeblättert ist es dagegen schnell, weil zu wenig wirklicher Inhalt enthalten ist. Darum ist das Buch vermutlich eher für jüngere Leser geeignet, die ähnlich Oberflächliches aus der Instagram-Onlinewelt kennen werden.