Tiefgehende persönliche und familiäre Themen mit Lichtblick

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Das Cover von „Wort für Wort zurück ins Leben“ von Beth Miller liebe ich sehr, denn ich finde die leicht impressionistisch anmutende Darstellung von dem blumenbestückten Fahrrad in der Natur mit dem Titel in Schreibschrift wunderschön! Nach der Lektüre muss ich nur leider sagen, dass diese Szene für mich überhaupt nicht zum Inhalt des Buches passt, denn es lässt mich einen Wohlfühlroman „in zarten Farben“ erwarten, den ich in der Geschichte nicht gefunden habe.

Diese erzählt von der 52-jährigen Pearl, die mit ihrem Mann extrem zurückgezogen in einem Wald in Frankreich lebt und kaum Kontakte zu anderen Menschen pflegt. Doch durch die Nachricht, dass ihr Vater in England, mit dem sie seit langer Zeit keinen Kontakt mehr hatte, im Sterben liegt, wird sie aus ihrer Routine herausgerissen. Sie erbt Tagebücher in Kurzschrift von ihm, durch die sie ihren Vater besser kennen lernen kann, sich aber auch mit ihrer eigenen Vergangenheit auseinander setzen muss… Wird es ihr gelingen einen Neuanfang zu wagen?

Unerwarteter Weise hat dieses Buch in einer sehr komplexen Geschichte viele (Lebens-)Themen angesprochen, die mich zum Teil sehr berührt haben. Es geht um Trauer, Verletzungen, psychische Traumata und Erkrankungen, verschiedene Familienkonstellationen, Freundschaft, Liebe, Lebensentwürfe und Schicksalsschläge, Neuanfänge sowie vieles andere. Dabei fällt die Geschichte deutlich bedrückender und düsterer aus, als ich an Hand des Covers und der Beschreibung erwartet hatte. Allerdings wäre alles andere bei den behandelnden Themen auch wenig authentisch, doch ich finde, dass dies ein wesentlicher Punkt ist, den man kennen sollte, wenn man sich für dieses Buch entscheidet.

Etwas schwierig war es für mich, dass ich zeitweise das Gefühl hatte, nur Bruchstücke und Andeutungen zu erhalten, ohne die Geschichte wirklich erfassen zu können. Dieses Gefühl war mir, gerade im ersten Teil des Buches, einfach zu präsent und hat den Lesegenuss für mich etwas geschmälert, im Nachhinein passt das Vorgehen der Autorin (die übrigens Doktorin der Psychologie ist) jedoch auch wieder gut zum Charakter der Geschichte und der Hauptperson.

Pearl, der das Leben arg mitgespielt hat, mag ich sehr und es hat mir Freude gemacht sie auf ihrem Weg in einen neuen Lebensabschnitt begleiten zu dürfen. Überhaupt habe ich die Geschichte trotz der Kritikpunkte wirklich gerne gelesen und teilweise sehr mit Pearl gefiebert. Manch anderer Charakter war mir persönlich etwas zu überspitzt und stark gezeichnet, nichtsdestotrotz hat sich für mich aber ein Setting ergeben, das eine stimmige Geschichte erzählt. Das Ende hätte ich mir abgeschlossener gewünscht, aber auch hier muss ich gestehen, dass die Autorin eine Form gefunden hat, die der Geschichte gut entspricht.

Ich würde dieses Buch gerne wieder lesen, denn es hat mich erreicht, berührt und mit einem hellen Himmelsstreif am Horizont zurück gelassen – also eine Leseepfehlung für alle, die keine Angst vor „psychischer Dunkelheit“ bei Protagonisten haben und gerne einen Weg ins Licht mit ihnen finden!