Dörfliche Verhaftungen

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wilde hummel 1 Avatar

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Birgit Birnbacher nennt ihren Roman nicht von ungefähr 'Wovon wir leben' und nicht 'Wofür wir leben'. Das Wovon sucht die Quellen, die Zusammenhänge, die das Leben von Julia, der Hauptprotagonistin prägen. Julia ist Krankenschwester und verliert ihre Stelle in der Klinik in der Stadt und kehrt eher unfreiwillig in ihr Dorf und in die Familie zurück. Hier wird von ihr auch die Rückkehr in tradierte Frauenrollen erwartet. Der Vater nimmt sie teils mit drastischen Erpressungsaktionen in die Pflicht; denn Frau sein bedeutet Fürsorgerin, Bedienerin, Pflegerin sein. Die Mutter hat das familiäre Pflichtenheft abgegeben und ist nach Italien entflohen. Julia lernt einen jungen Mann kennen, der meist nur als der Städter bezeichnet wird. Birgit Birnbacher gelingt eine sehr präzise Beschreibung einer dörflichen Gemeinschaft im Innergebirg mit ihrer Tristesse, ihrer unausweichlichen Rollenverteilung und Beengtheit und durch die Gegenüberstellung von konträren Blickwinkeln, erhält der Roman eine eindringliche Spannung. Der Städter träumt Zukunft, die Dörflerin sieht die realen Hürden; der Vater erzwingt Fürsorge, Julia ersehnt persönliche und berufliche Freiheit. Die Sprache des Romans ist von einer literarischen Prägnanz mit wunderbaren eingestreuten Wortschöpfungen und ich kann dieses Buch absolut empfehlen.