Leises Buch mit Tiefe

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gracejones Avatar

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Das Wort „Heimat“ bleibt einem im Roman „Wovon wir leben“ von Birgit Birnbacher schal geworden auf der Zunge liegen. Wir folgen Protagonistin Julia zurück in ihr Heimatdorf. Lungenkrank und deshalb bald arbeitslos bleibt ihr keine andere Wahl. Dort im Dorf leben die, die nicht fortgegangen sind, wie vergessen unter einer Käseglocke. Zusammengehalten von einer Fabrik und der ständigen Drohung ihrer Schließung, ewig gleichen Abläufen, Dingen, die man nicht sagt und Dingen, die man nicht tut. Das einzige, das fortschreitet, ist das Alter. Der Menschen, der Häuser. Julia kommt zurück und muss feststellen, dass ihre Mutter fort ist. Ihr Vater, jetzt allein, verlangt jetzt Julias Fürsorge, droht mit seiner Bedürftigkeit. Kaum ist Julia dort, scheint die „Heimat“ sie niederzuringen. Inmitten des allgegenwärtigen Niedergangs sticht plötzlich „der Städter“ heraus, Oskar, der sich von einem Herzinfarkt erholt. Oskar kann das Dorf nur mit seinen Augen sehen. Und je näher er an Julia rückt, desto mehr will er bleiben. „Wovon wir leben“ ist ein leises Buch mit viel Tiefe, das mir gut gefallen hat. Es verhandelt wichtige Fragen über Geschlechterrollen, Heimat und Tradition mit kluger, feinsinniger Sprache. Und irgendwie schimmert am Ende sowas wie Hoffnung durch. Ich wünsche dem Buch noch viele LeserInnen, es hätte sie verdient.