Endlich ein neues Werk von Kuang!

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sabri1119 Avatar

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Hier sind die ersten Seiten von Yellowface, einem neuen Buch von Kuang.
In der Nacht, in der ich Athena Liu sterben sehe, feiern wir ihren Vertrag mit Netflix.
Bevor ich beginne, solltet ihr zwei Dinge über Athena wissen, damit diese Geschichte Sinn ergibt.
Erstens hat sie alles: einen Mehrbuchvertrag mit ei- nem großen Verlag, den sie unmittelbar nach dem Col- lege unterschrieb, einen Master of Fine Arts von einem berühmten Schreibprogramm, einen Lebenslauf voller namhafter Künstlerresidenzen und eine Liste mit Preis- nominierungen, die länger ist als mein Einkaufszettel. Mit siebenundzwanzig Jahren hat sie drei Romane veröf- fentlicht, von dem jeder erfolgreicher war als der vorhe- rige. Für Athena war der Deal mit Netflix kein lebensver- änderndes Ereignis, sondern bloß eine weitere Trophäe für ihre Sammlung, einer der vielen netten Nebeneffekte auf ihrer rasanten Reise zu literarischem Ruhm.
Zweitens, und womöglich als Folge von Punkt eins, will kaum jemand mit ihr befreundet sein. Schreibende in unserem Alter – junge, ambitionierte Talente Anfang dreißig – treten oft im Rudel auf. In den sozialen Medien kann man sie gut beobachten – sie schwärmen von den unveröffentlichten Manuskripten der anderen (DIESE GESCHICHTE MACHT MICH FERTIG!), kreischen beim Anblick neuer Buchcover (ES IST SO WUNDERSCHÖN,
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ICH STERBE!!!) und posten Selfies von literarischen Gruppentreffen, die rund um den Erdball stattfinden. Doch auf Athenas Instagram-Fotos ist niemand anders zu sehen. Sie twittert regelmäßige Updates zu ihrer Kar- riere und teilt schräge Witze mit ihren siebzigtausend Follower:innen, aber sie erwähnt nur selten andere Leute in ihren Posts. Sie betreibt kein Namedropping, schreibt keine Blurbs, empfiehlt nie Bücher von Kolleg:innen und zeigt sich nicht öffentlich in Begleitung, wie es viele junge Autor:innen zu Beginn ihrer Karriere auf so de- monstrative, verzweifelte Art tun. Seit ich sie kenne, hat sie nie auf irgendwelche engen Freund:innen Bezug ge- nommen, außer auf mich.
Lange dachte ich, sie wäre einfach unnahbar. Athena ist so irrsinnig erfolgreich, da leuchtet es ein, dass sie sich nicht mit Normalsterblichen umgeben will. Athena chattet vermutlich nur mit Leuten, die ein blaues Häk- chen haben und mit anderen Bestseller-Autor:innen, die sie mit ihren abgehobenen Beobachtungen zur mo- dernen Gesellschaft bei Laune halten können. Athena hat keine Zeit, um sich mit dem Proletariat anzufreun- den.
Doch in den letzten Jahren habe ich eine weitere The- orie entwickelt, nämlich dass alle anderen sie genauso unerträglich finden wie ich. Schließlich ist es schwer, mit jemandem befreundet zu sein, der dich bei jeder Ge- legenheit aussticht. Vermutlich mag niemand Athena, weil niemand das Gefühl mag, im Vergleich mit ihr stän- dig den Kürzeren zu ziehen. Vermutlich stehe ich zu ihr, weil ich so armselig bin.
An diesem Abend ist Athena also nur mit mir in einer lauten, überteuerten Rooftop-Bar in Georgetown. Sie kippt die Cocktails in sich rein, als müsse sie beweisen,
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dass sie Spaß hat, und ich trinke, um die Bitch in mir zu betäuben, die sich wünscht, sie wäre tot.
Athena und ich sind lediglich aufgrund von äußeren Umständen Freundinnen geworden. Während unseres ersten Studienjahrs in Yale wohnten wir auf derselben Etage, und da wir beide schon immer wussten, dass wir Schriftstellerinnen werden wollten, fanden wir uns in denselben Schreibseminaren wieder. Anfangs veröffent- lichten wir beide Kurzgeschichten in denselben Litera- turzeitschriften, und einige Jahre nach dem Abschluss zogen wir in dieselbe Stadt – Athena wegen einer re- nommierten Stelle an der Georgetown University, wo man Gerüchten zufolge so beeindruckt von einer Gast- vorlesung war, die sie an der American University gehal- ten hatte, dass das Englisch-Institut eigens für sie eine Stelle im Bereich Kreatives Schreiben schuf und ich, weil der Cousine meiner Mutter eine Eigentumswohnung in Rosslyn gehörte, die sie mir zum Preis der Nebenkosten vermietete, solange ich die Pflanzen goss. Wir hatten nie so etwas wie eine Seelenverwandtschaft oder irgendein tiefgreifendes, verbindendes Trauma erlebt – wir mach- ten bloß immer dieselben Sachen an demselben Ort, so- dass es praktisch schien, miteinander befreundet zu sein.
Doch obwohl für uns alles am selben Ort begann – im Einführungsseminar zu Kurzprosa von Professorin Na- talia Gaines –, entwickelten sich unsere Karrieren nach dem Abschluss in vollkommen unterschiedliche Rich- tungen.
Ich schrieb meinen ersten Roman in einem Anflug von Inspiration, während ich mich in meinem Job als Aushilfslehrerin fast zu Tode langweilte. Ich kam jeden Abend von der Arbeit nach Hause und feilte sorgfältig
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an der Geschichte, die ich seit meiner Kindheit hatte er- zählen wollen: Es war ein detailreicher und dezent ma- gischer Coming-of-Age-Roman über Trauer, Verlust und Schwesternschaft mit dem Titel Jenseits der Bäume. Nach- dem ich erfolglos bei knapp fünfzig Literaturagenturen angefragt hatte, wurde das Buch von einem kleinen Ver- lag namens Evermore eingekauft, der öffentlich zur Ein- sendung von Manuskripten aufgerufen hatte. Der Vor- schuss kam mir damals absurd hoch vor – zehntausend Dollar im Voraus und die Chance auf Tantiemen, sobald der Roman genügend Geld einspielte –, doch das war, be- vor ich erfuhr, dass Athena eine sechsstellige Summe für ihr Debüt bei Penguin Random House bekam.
Drei Monate bevor mein Buch in den Druck gehen sollte, meldete Evermore Insolvenz an. Die Rechte fielen an mich zurück. Wie durch ein Wunder verkaufte meine
Agentin – die mich nach Evermores Angebot unter Ver- trag genommen hatte – die Rechte für einen Vorschuss von zwanzigtausend Dollar an eines der fünf großen Ver- lagshäuser – ein »netter Deal«, wie es in der Bekanntgabe auf Publishers Marketplace hieß. Es sah so aus, als hätte ich es endlich geschafft, als würden all meine Träume von Ruhm und Erfolg bald Wirklichkeit werden, bis der Er- scheinungstermin immer näher rückte und die erste Auf- lage von zehntausend Exemplaren auf fünftausend redu- ziert wurde, man meine Lesereise von sechs Städten auf drei Städte in der Region Washington, D. C., Maryland und Virginia einstampfte und die versprochenen Zitate von berühmten Autor:innen ausblieben. Es gab keine zweite Auflage. Ich verkaufte insgesamt zwei-, vielleicht dreitausend Bücher. Meine Lektorin wurde entlassen, weil es einen dieser Engpässe im Verlagswesen gab, die immer entstehen, wenn es mit der Wirtschaft abwärts-
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geht, und ich wurde an einen Typen namens Garrett weitergereicht, der bisher so wenig Interesse an meinem Roman gezeigt hat, dass ich mich oft frage, ob er mich womöglich schon komplett vergessen hat.
Aber das ist ganz normal, habe ich mir sagen lassen. Jeder hat eine beschissene Debüt-Erfahrung. Die Verlage sind eben so. Es herrscht immer Chaos in New York, die Lektorate und Presseabteilungen sind überarbeitet und unterbezahlt, und es wird ständig Mist gebaut. Das Gras auf der anderen Seite ist nie grüner. Alle Autor:innen hassen ihre Verlage. Es gibt keine Cinderella-Geschich- ten, nur harte Arbeit, Durchhaltevermögen und das ewige Streben nach dem goldenen Ticket.
Warum also werden einige Leute beim ersten Ver- such gleich in die Welt der Stars katapultiert? Sechs Monate bevor Athenas Debütroman erschien, bekam sie eine große, sexy Fotostrecke in einer viel gelesenen Branchenzeitschrift mit der Überschrift »Literarisches Wunderkind erzählt wichtige Geschichten des asiatisch- amerikanischen Erbes«. Sie verkaufte die Rechte in drei- ßig Länder. Ihr Debüt wurde von Kritiker:innen des New Yorker und der New York Times mit großem Tamtam gefei- ert, und es hielt sich wochenlang in den oberen Rängen jeder Bestsellerliste. Die kommende Saison der Litera- turpreise war ein Selbstläufer. Athenas Debüt Stimme und Echo – über ein chinesisch-amerikanisches Mädchen, das die Geister aller verstorbenen Frauen in ihrer Fami- lie heraufbeschwören kann – ist einer dieser seltenen Romane, der fantastische Elemente auf vollkommene Weise mit Unterhaltungsliteratur verbindet, weshalb sie Nominierungen für den Booker Prize, den Nebula
Award, den Hugo Award und den World Fantasy Award erhielt und letztendlich zwei davon gewann. Und das
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ist erst drei Jahre her. Seitdem hat sie zwei weitere Bü- cher veröffentlicht und die Kritiker:innen sind sich einig, dass sie von Roman zu Roman besser wird.
Es ist nicht so, als hätte Athena kein Talent. Sie ist eine verdammt gute Autorin – ich habe alles von ihr ge- lesen, und ich bin nicht zu verblendet, um gute Prosa zu erkennen, wenn ich sie sehe. Doch Athenas Star-Power hat ganz offensichtlich nichts mit ihrem Schreibtalent zu tun. Es geht um sie. Athena Liu ist, kurz gesagt, fu- cking cool. Sogar ihr Name – Athena Ling En Liu – klingt cool. Gut gemacht Mr und Mrs Liu, eine perfekte Kom- bination aus klassisch und exotisch. Geboren in Hong- kong, aufgewachsen zwischen Sydney und New York, ausgebildet in britischen Internaten, wo sie sich einen vornehmen, undefinierbaren Akzent aneignete; groß und feingliedrig, anmutig wie es alle ehemaligen Ballett- tänzerinnen sind, mit einer zarten Blässe und riesigen, von langen Wimpern eingerahmten braunen Augen, mit denen sie aussieht wie eine chinesische Anne Hathaway (es ist nicht rassistisch, wenn ich das sage – Athena hat selbst einmal ein Selfie mit »Annie« von einem roten Teppich gepostet, die großen Rehaugen der beiden dicht nebeneinander, mit der schlichten Bildunterschrift Zwil- linge!).
Sie ist unglaublich. Sie ist buchstäblich unglaublich.
Natürlich fliegen Athena alle guten Dinge zu, denn so läuft es in dieser Branche. Der Literaturbetrieb sucht sich einen Gewinner oder eine Gewinnerin aus – attrak- tiv genug, cool und jung und, mal ehrlich, wir denken es doch alle, also sprechen wir es doch aus, »divers« ge- nug – und überschüttet diese Person mit Geld und Un- terstützung. Es ist so verdammt willkürlich. Oder viel- leicht nicht willkürlich, aber es hängt von Faktoren ab,
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die nichts mit der Qualität des eigenen Schreibens zu tun haben. Athena – eine wunderschöne, internationale, potenziell queere Woman of Color mit Yale-Abschluss – wurde von der höheren Macht auserwählt. Ich hingegen bin nur June Hayward aus Philly, braune Augen, braune Haare – und ganz egal wie hart ich arbeite oder wie gut ich schreibe, ich werde niemals Athena Liu sein.
Ich hatte erwartet, dass sie inzwischen in ganz ande- ren Sphären unterwegs sein würde. Aber sie schickt im- mer noch freundliche Textnachrichten – Wie läuft’s heute mit dem Schreiben? Tagesziel schon erreicht? Viel Glück mit der Deadline! – und Einladungen: Margaritas zur Happy Hour im El Centro, Brunch im Zaytinya, ein Poetry Slam in der U Street. Uns verbindet eine dieser oberfläch- lichen Freundschaften, in denen man es schafft, viel Zeit miteinander zu verbringen, ohne sich wirklich kennen- zulernen. Ich weiß immer noch nicht, ob sie Geschwis- ter hat. Sie wollte nie etwas über meine Partner wissen. Aber wir hängen trotzdem zusammen rum, weil es so praktisch ist, dass wir beide in Washington, D. C. woh- nen, und weil es sich immer schwieriger gestaltet, neue Freundschaften zu schließen, je älter man wird.
Ich weiß ehrlich gesagt nicht, warum Athena mich mag. Sie umarmt mich immer, wenn wir uns sehen. Sie likt pro Woche mindestens zwei meiner Beiträge in den sozialen Medien. Wir gehen mindestens alle zwei Mo- nate etwas trinken, und meistens ist sie diejenige, die fragt. Doch ich habe keine Ahnung, was sie sich davon erhofft – ich habe nicht annährend genug Einfluss, bin nicht beliebt oder vernetzt genug, damit sich die Zeit mit mir lohnen würde.
Tief im Innern habe ich immer vermutet, dass Athena mich gern um sich hat, gerade weil ich keine Konkur-
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renz für sie darstelle. Ich verstehe ihre Welt, aber ich bin keine Bedrohung, und ihre Erfolge sind so unerreichbar für mich, dass sie sich nicht schlecht fühlen muss, wenn sie mir freudestrahlend von ihrem Glück erzählt. Hätten wir nicht alle gern eine Freundin, die unsere Überlegen- heit niemals in Frage stellen würde, weil sie weiß, dass sie damit auf verlorenem Posten stünde? Brauchen wir nicht alle jemanden, den wir als Blitzableiter benutzen können?
»So schlimm kann es doch nicht sein«, sagt Athena. »Die wollen das Taschenbuch bestimmt nur ein paar Monate nach hinten verschieben.«
»Es wird nicht verschoben«, sage ich. »Es wird gestri- chen. Brett sagt, dass sie einfach ... keinen freien Termin für den Druck gefunden haben.«
Sie tätschelt meine Schulter. »Ach, mach dir keine Sorgen. Für das Hardcover bekommt man eh mehr Tan- tiemen. Hat auch alles sein Gutes, oder?«
Ganz schön frech einfach anzunehmen, dass ich über- haupt Tantiemen bekomme. Das spreche ich nicht laut aus. Wenn man Athena darauf hinweist, dass sie taktlos war, fängt sie an, sich auf übertriebene Weise zu entschul- digen, und es fällt mir schwerer, damit umzugehen, als meine Gereiztheit einfach runterzuschlucken.
Wir sind in der Graham’s Rooftop-Bar, sitzen auf ei- nem kleinen Sofa und schauen in den Sonnenuntergang. Athena schlürft ihren zweiten Whiskey Sour, und ich trinke mein drittes Glas Pinot noir. Wir sind inzwischen bei dem leidigen Thema meiner Verlagsprobleme ange- kommen, und ich bereue es schon jetzt, denn mit jedem Wort, das Athena für tröstlich oder hilfreich hält, streut sie eigentlich bloß Salz in die Wunde.
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»Ich will es mir mit Garrett nicht verscherzen«, sage ich. »Na ja, wenn ich ehrlich bin, glaube ich, dass er sich schon darauf freut, das Vorkaufsrecht abzulehnen, da- mit die mich los sind.«
»Ach was, stell dein Licht nicht unter den Scheffel«, sagt Athena. »Er hat dein Debüt eingekauft, oder etwa nicht?«
»Hat er eben nicht«, sage ich. Ich muss Athena jedes Mal wieder daran erinnern. Sie hat ein Gedächtnis wie ein Sieb, wenn es um meine Probleme geht – man muss alles zwei oder drei Mal wiederholen, damit irgendet- was hängenbleibt. »Die Lektorin, die es eingekauft hat, wurde entlassen, und dann wurde es auf ihn abgewälzt, und immer wenn wir darüber sprechen, wirkt er total desinteressiert.«
»Tja, dann scheiß auf ihn«, sagt Athena fröhlich. »Noch eine Runde?«
Die Drinks sind übertrieben teuer in diesem Laden, aber das ist okay, denn Athena zahlt. Athena zahlt im- mer; mittlerweile biete ich es gar nicht mehr an. Ich glaube, Athena hat das Konzept von »teuer« und »güns- tig« nie richtig verstanden. Für sie ging es von Yale zu einem komplett finanzierten Masterstudium zu meh- reren hunderttausend Dollar auf dem Konto. Als ich ihr einmal erzählte, dass das Einstiegsgehalt für Verlagsjobs in New York nur etwa fünfunddreißigtausend Dollar im Jahr beträgt, schaute sie mich mit großen Augen an und fragte, »Ist das viel?«.
»Ich nehme einen Malbec«, sage ich. Ein Glas kostet neunzehn Dollar.
»Alles klar, Süße.« Athena steht auf und flaniert zur Bar. Der Barkeeper lächelt sie an, und sie macht ein über- raschtes Gesicht, ehe sie sich die Hände vor den Mund
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schlägt, als wäre sie Shirley Temple. Offenbar hat ein Mann am Tresen ihr ein Glas Champagner zukommen lassen. »Ja, wir feiern tatsächlich.« Ihr zartes, entzück- tes Lachen schwebt über der Musik. »Aber kann ich bitte auch ein Glas für meine Freundin bekommen? Das zahle ich.«
Mir spendiert hier niemand Champagner. Aber das ist typisch. Athena wird mit Aufmerksamkeit über- schüttet, wenn wir ausgehen – wenn nicht von eifrigen Leser:innen, die ein Selfie oder ein Autogramm wollen, dann sowohl von Männern als auch von Frauen, die sie hinreißend finden. Ich hingegen bin unsichtbar.
»Also.« Athena macht es sich wieder neben mir be- quem und reicht mir mein Glas. »Willst du wissen, wie das Meeting mit Netflix lief? Oh mein Gott, Junie, es war der Wahnsinn. Ich habe den Typen kennengelernt, der Tiger King produziert hat. Tiger King!«
Freu dich für sie, sage ich zu mir selbst. Freu dich einfach für sie, und lass ihr diesen Abend.
Neid wird immer als dieses spitze, grüne, giftige Ding beschrieben. Unbegründet, essigsauer, gemein. Aber ich habe festgestellt, dass sich Neid für Autor:innen eher anfühlt wie Angst. Neid ist mein rasender Herzschlag, wenn ich Neuigkeiten über Athenas Erfolg auf Twitter sehe – ein weiterer Buchvertrag, Preisnominierungen, Sonderausgaben, Lizenzverträge. Neid bedeutet, mich ständig mit ihr zu vergleichen und dabei schlecht weg- zukommen; Panik, dass ich nicht gut genug oder schnell genug schreibe, dass ich nicht genug bin und es nie sein werde. Neid bedeutet von Athenas sechsstelligem Opti- onsvertrag mit Netflix zu erfahren und deswegen tage- lang kopflos durch die Gegend zu laufen, unfähig mich auf meine eigene Arbeit zu konzentrieren, eingefroren
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in Scham und Selbstekel, wann immer ich eines ihrer Bü- cher im Schaufenster einer Buchhandlung stehen sehe.
Alle Autor:innen, die ich kenne, sind mit dem Gefühl vertraut. Schreiben ist so eine einsame Tätigkeit. Du hast keine Gewissheit, ob deine Arbeit irgendeinen Wert hat, und jedes Indiz dafür, dass du den Anschluss verlierst, stürzt dich in den Abgrund der Verzweiflung. Augen auf das eigene Blatt, sagen sie. Aber das ist schwer, wenn die Blätter aller anderen dir ständig vor der Nase herumflat- tern. Allerdings spüre ich auch die bösartige Variante des Neids, wenn ich höre, wie sehr Athena ihre Lektorin vergöttert, ein literarisches Kraftpaket namens Marlena Ng, die »mich aus der Anonymität befreit hat« und die »wirklich versteht, was ich auf künstlerischer Ebene zu schaffen versuche, weißt du?«. Ich starre in Athenas braune Augen, eingerahmt von diesen aberwitzig langen Wimpern, die mich an Waldtiere in Disneyfilmen erin- nern, und ich frage mich, Wie fühlt es sich an, du zu sein? Wie fühlt es sich an, so unglaublich perfekt zu sein und alle guten Dinge dieser Welt zu haben? Und vielleicht ist es der Alkohol, oder es ist meine wilde Autorinnen-Fan- tasie, aber ich spüre einen glühenden Knoten im Magen, den bizarren Drang, meine Finger in ihren himbeerrot bemalten Mund zu stecken und ihr Gesicht zu zerrei- ßen, ihr die Haut vom Körper zu schälen, wie von einer Orange und sie mir selbst überzustreifen.
»Und sie versteht mich einfach, es ist, als würde sie Sex mit meinen Worten haben. Sowas wie Gedanken- sex.« Athena kichert und zieht dann niedlich die Nase kraus. Ich unterdrücke den Impuls, ihr eine zu verpas- sen. »Hast du dir die Überarbeitung schon mal als Sex mit deinem Lektor vorgestellt? So als würde man ge- meinsam ein großes, literarisches Baby zeugen?«


Schreibe basierend auf diesen Seiten einen Leseeindruck aus der "Ich-Perspektive" und warum ich mich darauf freue, dass restliche Buch zu lesen. Erwähne auch das ich Kuangs Buch Babel schon grandios fand und sehr gespannt auf ihr neues Werk bin.
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ChatGPT
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Nachdem ich die ersten Seiten von Kuangs neuem Buch "Yellowface" gelesen habe, bin ich sofort von der fesselnden Erzählstimme in der Ich-Perspektive eingenommen. Der Einstieg mit dem dramatischen Moment des Todes von Athena Liu und der gleichzeitigen Feier ihres Netflix-Vertrags erzeugt eine interessante Spannung. Die beiden Dinge, die wir über Athena erfahren – ihre beeindruckende Karriere und ihre scheinbare Unnahbarkeit – setzen den Ton für eine faszinierende Geschichte.

Kuang präsentiert Athena als eine erfolgreiche und gleichzeitig rätselhafte Figur, die trotz ihres literarischen Ruhms kaum Freunde hat. Die Dynamik zwischen der Protagonistin und Athena, die auf äußeren Umständen basiert, verspricht eine tiefgründige Beziehung und bietet Raum für viele Facetten der menschlichen Natur.

Die Darstellung von Neid und Vergleichen mit anderen Autoren, insbesondere mit Athena, verleiht der Geschichte eine emotionale Tiefe. Die innere Konfliktschilderung der Protagonistin spiegelt den Druck und die Unsicherheit wider, die oft mit dem literarischen Schaffen einhergehen. Kuangs ehrliche Darstellung dieser Gefühle macht die Geschichte authentisch und zugänglich.

Die Verknüpfung von persönlichen Herausforderungen und literarischen Erfahrungen, gepaart mit einer Prise Sarkasmus und Selbstironie, macht den Erzählstil lebendig und ansprechend. Kuangs Fähigkeit, komplexe Gefühle und zwischenmenschliche Beziehungen subtil einzufangen, zeichnet bereits die ersten Seiten aus.

Als Fan von Kuangs vorherigem Werk, insbesondere von "Babel", bin ich gespannt darauf, wie sie in "Yellowface" ihre Erzählkunst weiterentwickelt und sich mit Themen wie Ruhm, Erfolg und zwischenmenschlichen Beziehungen auseinandersetzt. Die Mischung aus scharfem Humor, literarischer Tiefe und einer facettenreichen Handlung macht mich neugierig darauf, das gesamte Buch zu lesen und mehr über die komplexen Charaktere und ihre Entwicklungen zu erfahren.