Alles nur geklaut!

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brittabuchlingreport Avatar

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Gelb, gelb, gelb – akuell kommt man in der Buchbubble um das Gelbfieber ja quasi gar nicht herum. Denn „Yellowface“ von R.F. Kuang ist der aktuelle Hit auf den Bestsellerlisten. Meistens versuche ich solchen Hypes ja aus dem Weg zu gehen bzw. sie später zu lesen, wenn die Aufregung etwas abgeflacht ist. Aber von „Yellowface“ hatte ich eine Leseprobe angefangen – und die hatte mich super neugierig gemacht auf den Rest der Story.

Worum geht es eigentlich? Juniper Song Hayward, genannt June, ist eine angehende weiße Schriftstellerin. Doch ihr Erstlingswerk hat nicht recht eingeschlagen. Ihr Publisher interessiert sich nicht recht für sie. Sie hat keine bahnbrechende neue Idee. Ihre Karriere scheint also eigentlich schon wieder vorbei zu sein.

Ganz anders geht es ihrer Freundin Athena Liu. Die beiden Frauen kennen sich aus dem Studium, haben die selben Kurse belegt und den gleichen Traum. Doch im Gegensatz zu Juniper hat die chinesischstämmige Athena mächtig Erfolg mit ihren Büchern und gilt als neues Schriftsteller-Wunderkind. Ihr letztes Buch soll sogar von Netflix verfilmt werden.

Um das zu feiern, treffen sich die beiden Freundinnen. Nach einem Zug durch die Bars enden sie in Athenas luxuriöser Wohnung, um weiter zu trinken. Beim anschließenden Pfannkuchenwettessen verschluckt Athena sich. June schafft es nicht, ihr zu helfen. So stirbt das literarische Ausnahmetalent einen tragischen Tod. Juniper muss alles ansehen, ruft den Krankenwagen, sagt bei der Polizei aus – und steckt Athenas Manuskript zu einem neuen historischen Roman ein.

Athenas Story über die chinesischen Arbeiterkorps im Ersten Weltkrieg hat so viel Potenzial. June ist völlig vernarrt in die Story und fängt an, sie zu überarbeiten. Schließlich gibt sie dem Drang nach und reicht das Manuskript beim Verlag ein.

Das Buch schlägt ein wie eine Bombe. June gilt als neuer Shooting Star der Buchszene. Damit es keine Probleme wegen kultureller Aneignung gibt, wird betont, wie nomadisch Junes Kindheit verlief. Das Buch erscheint unter ihrem zweideutigen Namen Juniper Song, damit ihr Name asiatischer wirkt.

Die Geschichte von Yellowface verfolgt wie June hungrig nach Berühmtheit und Anerkennung auf Höhenflug geht. Aber wir sehen auch, wie die Angst, erwischt zu werden, sie zerfrisst. Wie Leser und Kritiker sie erst über den Klee loben, aber auch, wie Rezensenten auf Goodreads, Youtube & Co. Shitstorms und Proteste herbeiführen. Es ist ein bisschen wie ein Krimi. Und irgendwie ist man als Leser hin- und hergerissen, ob man June Erfolg wünscht oder Misserfolg. Denn obwohl sie eine Lügnerin ist und alle an der Nase rumführt, gelingt es R.F. Kuang sie trotz all der ethischen und ethnischen Kontroversen als sympathische Figur zu schildern.

Man merkt, wie sich die Autorin auskennt in der Verlagsbranche. Sie beleuchtet alle ihre Höhen und Tiefen, die mit dem Erfolg kommen können und auch über welche Leichen Autoren, aber auch Influencer gehen. Sie greift zahlreiche Kontroversen auf, die in der Buchbranche herrschen und verpackt diese in eine unheimlich packende Story!

Zwischen durch hatte die Story für mich ein paar Längen. Aber im Großen und Ganzen konnte ich das Buch gar nicht aus der Hand legen, weil ich unbedingt wissen wollte, wie Junes Schicksal ausgeht! Für mich war der Hype um Yellowface deshalb absolut berechtigt. Ganz großes Lesevergnügen mit einem cleveren Plot und zahlreichen aktuellen Konfliktthemen!