Anders als gedacht

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mil Avatar

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Ich kann gar nicht genau sagen, was ich erwartet habe als ich mit dem Buch angefangen habe. Trotzdem habe ich das Gefühl, es ist anders als ich dachte. Das Buch ist ohne Zweifel sehr gut geschrieben. Obwohl es wenig laufende Handlung gibt, wird eine Stimmung erzeugt, die dafür sorgt, dass ich das Buch sehr schnell durchgelesen habe. Die Ich-Erzählerin liefert einen Bericht über die Ereignisse, die zum Ideendiebstahl an ihrer toten Freundin geführt haben und den sich daraus ergebenden Folgen. Sehr detailliert erfahren die Lesenden den Weg vom Manuskript zum fertigen Buch inklusive Lektorat, Werbekampagnen und Blick hinter die Kulissen der Verlagswelt. Ein weiterer Aspekt ist der Drang nach Aufmerksamkeit. Die Hauptfigur ist besessen von den sozialen Medien und verbringt einen Großteil ihrer Zeit damit, über sich selbst zu schreiben oder zu lesen. Gut gelungen sind die Schilderung eines sich aufbauenden Shitstorms und wie schnell hochgepeitschte Themen wieder vollständig verschwinden.

Das Hauptthema ist aber der Diebstahl der Ideen ihrer Freundin und der Vorwurf, als weiße Person ein historisches Buch über chinesische Menschen veröffentlicht zu haben. Immer wieder versucht die Protagonistin, sich vor den Lesenden für den Diebstahl zu rechtfertigen und ihre eigene Arbeit hervorzuheben. Sie wird mir im Verlauf des Buches nie sympathisch. Interessanterweise ist das auch gar nicht nötig. Trotz der anhaltenden Distanz zur Hauptfigur ist das Buch sehr fesselnd. Nicht zuletzt, weil die Autorin es schafft, den heutigen Zeitgeist so gut abzubilden und den Lesenden in mehrerlei Hinsicht einen Spiegel vorzuhalten.