Die eigentliche Satire ist der Hype um dieses Buch!

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angie99 Avatar

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Der Klappentext von „Yellowface“ tönte so vielversprechend, dass ich dieses Buch letztes Jahr schon zu meinem absoluten „Must-Read 2024“ erklärt und seinem Erscheinungstermin regelrecht entgegengefiebert hatte. Wer darf was schreiben, was veröffentlichen? – diese Frage interessiert mich alleine schon aufgrund meiner eigenen Schreiberfahrungen brennend und aufgrund der spannenden Ausgangslage eines geklauten Manuskripts erwartete ich einige neue Denkanstöße.
Nach einem mitreißenden Einstieg tritt die Story jedoch zusehends auf der Stelle. Es mag für Außenstehende interessant sein, einen Einblick in die Mechanismen des Verlagswesens zu bekommen, ich empfand es als monotone Berichterstattung bereits bekannter Prozesse.
Ich-Erzählerin June Hayward ist zwar ein ambivalenter Hauptcharakter ohne Heldenglanz, doch ihre Motive sind so durchschaubar, dass sie trotzdem viel zu glatt wirkt. Der mehr erklärende als erzählende Ausdrucksweise der Hauptfigur und lasche Dialoge tun ihr übrigens, dass dieser wunderbar flüssig geschriebene Roman in weiten Teilen zu einem glitschigen Einheitsbrei verkommt.
Ich vermisse Ecken, Kanten, Spitzen und Tiefen. Stattdessen spulen die Figuren und Social-Media-Beiträge ein geradlinig zurechtgelegtes Pro- und Contra-kulturelle-Aneignungs-Programm ab. Im letzten Viertel zieht das Tempo auf der Handlungseben zwar nochmals an, doch sogar der künstlich aufgebauschte Höhepunkt endet vorhersehbar.
Überhaupt bleiben die Überraschungen fast vollständig aus. Sicherlich schneidet Rebecca F. Kuang wichtige und aktuelle Themen wie Hass im Netz und Diskriminierung an, vermag es, Diskussionen in Gang zu bringen, verschiedenen Argumente zu beleuchten. Allerdings geht die Tiefe ihrer Darstellung kaum über das hinaus, was schon der Klappentext verrät – und das ist für 380-Seiten-Werk eine zu magere Ausbeute.
Trotz der aufsehenerregenden Grundproblematik und den belehrenden Ansätzen bleibt „Yellowface“ deutlich hinter meinen Erwartungen zurück.
Die drei Sterne gibt es in erster Linie für den Mut des Verlages, eine Kritik an den eigenen Marktstrategien zu veröffentlichen – denn der Hype um dieses Buch ist wohl die eigentliche (Real-) Satire dahinter.