Die komplexe, tragisch schöne Absurdität der Buchbranche

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lainybelle Avatar

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Schon als ich erst wenige Seiten dieses Buchs gelesen hatte, habe ich entschieden, dass ich unbedingt mehr von der Autorin lesen möchte.
Rebecca F. Kuang schreibt bissig, pointiert und zwischen den Zeilen zutiefst hinterfragend und gesellschafts- bzw. in diesem Fall branchenkritisch.
Es gelingt ihr, mit June eine Protagonistin zu schaffen, die uns mit in den Abgrund zu reißen versucht, dem sie sich in ihrem Erfolgsstreben, ihrem Neid und ihrem falschen Spiel, das sie sich stets als gerecht zurechtbiegt, nicht nur unaufhaltsam nähert, sondern den sie in sich selbst erschafft.

Ich kann mir vorstellen, dass die eher unaufgeregte Handlung (im Grunde geht es nach einem morbide-skurrilen Vorfall einzig und allein um den Aufstieg und Fall einer äußerst schwierigen Autorin) einem weniger zusagt, wenn man sich nicht wirklich fürs Verlagswesen und den Buchmarkt interessiert. Tut man das aber, konfrontiert das Buch einen mit einem schonungslosen, zynischen und dennoch seltsamerweise nicht komplett desillusionierenden Blick hinter die Kulissen. Sichtbarkeit von Neuerscheinungen, Marketing, Literaturagenturen, Rezensenten, Lesungsevents, Vernetzung/Konkurrenz unter Schreibenden, die Online-Buchcommunity – alles wird von der Autorin satirisch seziert.
Doch auch universellere Themen finden ihren Weg in die Geschichte: kulturelle Aneigung und Cancel Culture, wie es in der Werbung für das Buch heißt, außerdem die Frage, wie Anerkennung für das eigene Schaffen und der Wunsch, sie (um jeden Preis?) zu erreichen, Kreative fehlleiten können oder wo die Grenzen einer Urheberschaft bzw. geistigen Eigentums verlaufen.

Für mich ein höchstspannendes, faszinierend umgesetzter Roman!

In einem Satz:

„Yellowface“ wagt etwas: eine schwierige Hauptfigur, in der man sich möglichst nicht wiederfinden will, und eine Menge Seitenhiebe (manchmal schon eher Frontalschläge) auf eine Branche, in der es trotz großer Leidenschaft, Kreativität und hohen Idealen allzu oft bedenklich zugeht.