Hat ein Plagiat trotzdem das Zeug zum Bestseller?

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ismaela Avatar

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Was wurde dieses Buch bejubelt, und hochgelobt durch alle Feuilletons gejagt – fast als wäre das Ganze eine Schlange, die sich in den Schwanz beißt: genau dieser Öffentlichkeits-malstrom, in dem „Yellowface“ herumwirbelt, inklusive sämtlicher Social Media- und interna-tionaler Rezensionsplattformen wie Goodreads, erfasst auch die fiktive Autorin June Hayward (Juniper Song), als ihr neuestes Manuskript als Buch veröffentlich wird und sofort zum Bestsel-ler wird. Das Problem: das Manuskript bzw. der Rohentwurf dazu gehört eigentlich der gefei-erten Jungautorin Athena Liu, die bei einem bizarren Unfall stirbt. June Hayward, die wäh-rend dieses Unfalls mit Athena zusammen ist, steckt das Manuskript ohne nachzudenken ein und fängt an es be- und auszuarbeiten…
In „Yellowface“ wird der moderne Literaturbetrieb in einer gnadenlosen Art und Weise ausge-leuchtet, und wie auf dem Präsentierteller agieren alle Beteiligten im grellen Scheinwerfer-licht: die Autorin selbst, ihre Verlags-Entourage, die sich um das Marketing, den Vertrieb, das Layout, Lesetouren und den ganzen Rest kümmert, aber auch Familie, Bekannte und das Gros der Internetmenschen, die mehr oder weniger in Echtzeit das Entstehen und die Ent-wicklung von „Die letzte Front“ (so der Titel des Bestseller-Romans) begleiten, begutachten, bewerten und – letztendlich – verurteilen.
Dieses Buch will vieles sein, und obwohl ich es kaum aus der Hand legen konnte, stach die Geschichte für mich nun nicht übermäßig aus anderen Geschichten heraus. Es beschreibt gekonnt Facetten und Absurditäten des Literaturbetriebes, das Steigen und Fallen von Stern-chen am Buchhimmel, das in der heutigen Internet-Sekunden-Welt innerhalb kürzester Zeit stattfindet und regelmäßig in wahren Schlammschlachten bis hin zu Mord- und Gewaltandro-hungen ausarten kann. Auch sind die Themen (Post-)Kolonialismus, kulturelle Aneignung, Ras-sismus, Diskriminierung, virtuelle und reale Gewalt usw. gut gesetzt und regen zum Nachdenken an, doch sie gehen eher nicht in die Tiefe. Auch June Hayward hinterfragt eigentlich niemals ihre Tat, sondern versucht, sich das Ganze schön zu reden, sie wählt einen asiatisch klingenden Künstlernamen (Juniper Song) zum Zwecke der Authentizität, wenn etwas schlecht läuft, sind grundsätzlich die anderen schuld, und immer fühlt sie sich als die missverstandene und vom Leben betrogene. Gleichzeitig wird sie aber auch sehr menschlich dargestellt, denn natürlich geht das Ganze nicht spurlos an ihr vorbei, und sie hat dementsprechend mit Pani-kattacken, übelsten Anfeindungen und Menschen, die sich von ihr abwenden, zu tun, und ge-nerell scheint sie mit vielem in ihrem Leben alleine da zu stehen. Wer würde da nicht nach Aufmerksamkeit lechzen und versuchen, so viel Schaden von einem selbst fern zu halten, in-dem man den Kopf in den Sand steckt. Und vor allem der Schluss ist für mich ein bisschen zu überzogen.
Alles in allem ein sehr gutes Buch, das einem noch lange im Gedächtnis bleibt und viele Denkanstöße gibt, aber es ist nun nicht die (Neu-)Erfindung des Rades.