Mitreißend, überraschend und mal etwas ganz Neues

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lottegc Avatar

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Yellowface hat mich direkt gepackt – der Schreibstil ist so flüssig, dass ich anfangs gar nicht gemerkt habe, wie schnell ich durch die Seiten flog. Die Grundidee ist für mich frisch und ungewohnt: Wir begleiten eine Autorin, die nach dem plötzlichen Tod einer erfolgreichen Kollegin deren Manuskript stiehlt, es unter ihrem eigenen Namen veröffentlicht und damit einen beachtlichen Karriereaufschwung erlebt.

Was mich besonders fasziniert hat, ist die Hauptfigur selbst. Ich wusste die ganze Zeit: Sie ist die Schuldige. Sie hat etwas Unverzeihliches getan. Und trotzdem – je länger ich in ihrem Kopf war, desto mehr habe ich mich von ihrem Selbstbild einwickeln lassen. Plötzlich klang es plausibel, dass sie hier das Opfer sei. R.F. Kuang nutzt den „unzuverlässigen Erzähler“ so gut, dass ich mich manchmal selbst ertappt habe, wie ich ihre Argumente abnicke, obwohl ich es besser weiß.

Auch Interessant fand ich die Darstellung der Verlagswelt: Kuang zeigt schonungslos, wie hart und unbarmherzig diese Branche sein kann – und dass ein Bestseller oft weniger mit reinem Schreibtalent zu tun hat als mit einer gehörigen Portion Glück, Timing und den richtigen Kontakten.

Allerdings hat der Roman für mich in der zweiten Hälfte an Fahrt verloren. Der Spannungsbogen, der mich anfangs mitgerissen hat, flachte spürbar ab, und der Plot wirkte weniger zielgerichtet. Stattdessen stand immer stärker die Charakterstudie im Vordergrund – interessant, aber eben nicht mehr so fesselnd.

Mein Fazit: Yellowface ist weniger Thriller, mehr scharfe Gesellschaftssatire mit einer Hauptfigur, die man gleichzeitig verachten und verstehen will. Der Schreibstil ist dabei flüssig und mitreißend und das Stilmittel des „unzuverlässigen Erzählers“ wird besonders gut genutzt. Ich habe das Buch sehr gerne gelesen, da es sich einfach mal nach etwas Neuem anfühlt.