Pageturner

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violine Avatar

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Vielleicht hat mich das Buch besonders angesprochen, da ich selbst schon lange schreibe und über Bücher blogge. Die Ausgangslage der Story bildet folgendes Dilemma: Zwei befreundete Autorinnen, Athena und June, verbringen einen normalen Mädelsabend. Athena ist wahnsinnig erfolgreich, June überhaupt nicht. Als Athena an diesem Abend auf unerwartet tragische Weise ums Leben kommt, stiehlt June deren unveröffentlichtes Manuskript und bringt es als ihr eigenes raus.

Ich habe mich gefragt, was ich an Junes Stelle gemacht hätte. Und ich denke, genau diese Frage ist es, die den ganzen Roman über bis zur letzten Seite mitschwingt. Das Buch handelt von Schuld, Lüge, verformter Wahrheit, Gerechtigkeit und Rache.

Die Geschichte ist in der Ich-Form aus Junes Sicht geschrieben. Wir erfahren, was June fühlt und denkt. Die Sichtweise ist so clever geschrieben, dass man irgendwann selbst glaubte, June habe mit ihrem Diebstahl nichts Falsches gemacht. Die Wahrheit und Realität werden so verzerrt, dass "Richtig" und "Falsch" irgendwann keine Rolle mehr spielen. Und immer bleibt die Frage: Kann June den Diebstahl bis zum Schluss verheimlichen? Oder kommt ans Licht, dass für den neuen Stern am Buchhimmel Athena die eigentliche Ur-Verfasserin ist?

Sehr spannend fand ich die vielen unverblümt dargestellten Hintergrundinformationen zum Buchgeschäft. Denn - und das erleben auch wir auf den Bestsellerlisten - nicht das am besten geschriebene Buch wird erfolgreich, sondern das Buch, das von vornherein von der Buchbranche als Bestseller bestimmt wird. Das Buchgeschäft ist umkämpft, es herrscht wahnsinniger Druck und notorischer Zwang, sich und seine Leistung zu vergleichen. So zumindest schildert es uns Yellowface. Aber ein Blick in die sozialen Medien zeigt, dass daran was dran ist. Kuang schafft es gleichzeitig, diese Buchkritik mit Gesellschaftskritik zu verknüpfen, indem Sie Rassismus, Klassismus, Cancel Culture und andere soziale Themen am Beispiel der beiden Autorinnen schildert. Zum Beispiel gerät June in Kritik, weil sie als weiße Autorin einen Roman über den chinesischen Arbeiterkorps schreibt. Diese und zahlreiche ähnliche Fragen haben mich während des Lesens zum Nachdenken gebracht. Insbesondere da man automatisch die angesprochenen Themen mit der aktuellen Nachrichtenlage vergleicht.

Ich kann dieses Buch wirklich nur jedem Buchliebhaber ans Herz legen. Wahnsinnige Plottwists, darf man bei diesem Buch nicht erwarten. Es ist eine character-driven Story. Es geht darum, was der Diebstahl mit June macht, welche Person sie wird.

Für mich ist Yellowface ein seit langem mal wieder ersehntes Lesehighlight.