Rasante und kluge Geschichte einer Hochstaplerin

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June Hayward und Athena Liu haben gemeinsam studiert und sind lose befreundet. Beide sind junge Autorinnen, wobei die chinesisch-amerikanische Athena als aufstrebendes Talent gilt, während June bisher nur mäßig Erfolg hat. Bei einem gemeinsamen Treffen in Athenas Wohnung stirbt diese überraschend. June findet ein unvollendetes Manuskript über die chinesische Arbeiterklasse im 1. Weltkrieg, nimmt es an sich, überarbeitet es und schickt es an Verlage - ohne Athena zu erwähnen. Das Buch erscheint schließlich tatsächlich, wobei sich June als Autorin nun „Juniper Song“ nennt und ein mehrdeutiges Autorinnenfoto verwendet wird, um eine mögliche chinesische Herkunft vorzutäuschen. Doch nicht alle finden dieses Vorgehen und die Tatsache, dass eine weiße Person über die Erfahrungen von Chines*innen schreibt, richtig. Social Media tobt, und auch Athenas Schatten scheint weiter über allem zu schweben…

Wow, was für ein Buch. Einerseits spannender Thriller, andererseits Satire und viel Stoff zum Nachdenken. Ich bin richtig durchgerast und musste unbedingt wissen, wie es weitergeht. June ist eine äußerst unsympathische Protagonistin - rassistisch, egozentrisch, machthungrig und wenig reflektiert. Und doch gelingt es R.F. Kuang, dass ich auch ein bisschen mit ihr mitgefiebert habe (und mich dabei erschreckt habe). Auch Athena ist keineswegs eindimensional gezeichnet und weniger perfekt, als es anfangs den Anschein macht. Das Buch liest sich sehr aktuell und gibt einen ungeschönten und tiefen Einblick in die Buch- und Verlagsbranche. Ich habe einiges dabei lernen können. R.F. Kuang wirft viele spannende Fragen auf und thematisiert Rassismus, Cultural Appropriation, Cancel Culture und nicht zuletzt die Rolle von Social Media.

Ich kann das Buch sehr empfehlen und möchte unbedingt auch bald zu „Babel“ von der Autorin greifen.