Vielschichtig

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moosmutzel Avatar

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Yellowface - die beiden jungen Schriftstellerinnen Athena und June sind seit dem College befreundet, auch wenn man sich beim Lesen nie entscheiden kann, ob es eine tiefgründige Freundschaft war oder eine Zweckgemeinschaft, anscheinend weiß June das aber auch nicht so recht und irgendwie muss sich die Leserin/der Leser da ein eigenes Bild machen. Während Athena einen Erfolg nach dem anderen feiern darf, kommt Junes Karriere nicht so richtig in Fahrt.

Bei einem gemeinsamen Abend in Athenas Wohnung kommt es dann zum tragischen Moment, als Athena stirbt und June tatenlos dabei zusehen muss. In ihrem Schock reicht es aber dennoch für einen kurzen Moment, in dem Sie Athenas unfertiges Skript ihres neuen Werkes "Die letzte Front" mit nach Hause nimmt. Dort beschließt sie dann, dieses Buch zu vollenden und unter ihrem Namen zu veröffentlichen.

Ich habe lange kein so vielschichtiges Buch gelesen. Junes Diskrepanz zwischen schlechtem Gewissen und der fast zwanghaften Rechtfertigung, das Richtige getan zu haben, ist an manchen Stellen schwer auszuhalten. Wie weit darf man für Erfolg gehen? Sind Athenas Mittel für gute Literatur Grund genug, dass June es ihr auf andere Weise gleich tun darf? Wie weit reicht ein menschliches Gewissen, wenn es um den eigenen Erfolg geht?

Die von Kuang gewährten Einblicke in das Verlagswesen kann ich mir so lebhaft vorstellen. Es geht um's Geld und um Auflagen, wer nicht reinpasst, kommt zu kurz. Rassismus spielt im Alltag in allen Bereichen eine Rolle, Social Media gibt ohnehin den Ton an, welche Rolle Ehrlichkeit spielt, kann man in Frage stellen.

Ich bin bis zum Ende nicht sicher, wie die Charaktere June und Athena überhaupt einzusortieren sind und welche Rolle der Erfolg bei beiden spielt oder gespielt hat. Es ist auf jeden Fall ein starkes Buch, welches die Persönlichkeiten stark darstellt und jede Zeile ein Genuss ist, auch wenn ich nicht nur einmal tief Luft holen musste, teilweise vor Entsetzen oder Erstaunen, wie Menschen denn sein können. Trotz aller Charakterschwäche der Protagonistin - oder gerade deshalb - ein Buch, welches ist nicht aus der Hand legen konnte.