Klappe auf und ACTION!

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lizzysnail Avatar

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Ein dunkelblaues Cover, das die verzerrte Skyline von New York ziert, welche umgeben ist von düsteren Wolken, lässt die bevorstehende Dystopie nur erahnen und wirft den Leser augenblicklich in das dunkle Geschehen.

Eine Seuche, eine Art Virus, hat die Menschheit überfallen und alle kleinen Kinder, sowie sämtliche Erwachsene, grausam mit sich gerissen. Nur noch die Jugend ist übriggeblieben und hat sich instinktiv in kleinen Clans zerteilt und kämpfen fortan tagtäglich ums Überleben. Niemandem ist bislang so richtig klar, woher der Virus kam, wie er sich ausbreitet und vor allem wie man ihn stoppen kann. Alles was sie zu wissen scheinen ist, dass diese einhergehende Krankheit wohl mit dem achtzehnten Lebensjahr auftritt.

Die Geschichte wird abwechselnd von den zwei Protagonisten Jeff und Donna erzählt. Der Schreibstil des Autors Chris Weitz ist angenehm flüssig und ereignisreich, im Verlaufe der Geschichte nimmt das Tempo seines Erzählens sogar noch zu, sodass man mitunter das Gefühl hat, als würde er zu viele fantastische Ideen auf viel zu wenigen Seiten präsentieren wollen. Das löst teilweise eine geringe Verwirrung aus, weil man das Geschehene nicht richtig fassen und rechtzeitig realisieren kann, bis auf einmal überraschend der nächste große Twist mit lautem Geröll auf sich aufmerksam macht und man immer noch grübelt, ob das gerade Gelesene nun eine tatsächlich passierte, oder vielmehr eine vom Protagonisten erdachte Situation wiederspiegelt. Kein Wunder also, dass Chris Weitz eigentlich Regisseur ist – denn so liest sich das Buch auch etwas!

Jeff ist der jüngere Bruder von Wash, der kurz vor seinem achtzehnten Geburtstag steht und das Leben des „Washington Square Clans“ in der Position als Anführer regelt. Donna, eine Freundin aus Kindheitstagen der beiden, hatte eine kurze Liaison mit ihm, doch das ist nun – so kurz vor seinem Tod – vorbei. Als das Unausweichliche, kurz nach Wash seinem Einstieg ins Erwachsenalter, dann passiert ist ein neuer Anführer gefragt. Jeff nimmt diesen Posten, mit der Unterstützung und Beiwilligung seines Clans, an, obwohl er eher von Anstand und Moral geleitet ist, ganz anders als Donna, die mit ihrem selbstsicheren und teilweise aufmüpfig-dickköpfigen Verhalten auftrumpft. Die beiden Protagonisten könnten unterschiedlicher nicht sein und ergänzen sich somit optimal, was es dem Leser absolut möglich macht, nicht nur mit den Charakteren mitzufühlen, sondern sich auch zielgenau in die Situation einzufinden und sich mit allem Geschehenen zu identifizieren.

Als Brainbox einen möglichen Ansatz zu einem vielleicht sehr bedeutenden Hinweis auf die Heilung der Krankheit findet, ist Jeff gezwungen seinen Clan nach nur kurzer Zeit zu verlassen. Donna und ihr schwuler bester Freund Peter, sowie Brainbox‘ Freundin SeeThrough begleiten Jefferson auf der Reise, die mit mehr Komplikationen und Zwischenfällen gar nicht gespickt hätte sein können. Sehr einfühlsam beschreibt der Autor die „Abenteuer“, die die Jugendlichen bestreiten müssen, um an ihr Ziel zu gelangen und geht sehr detailreich – aber immer mit furchtbar schnellem Tempo – auf Gefühle, Gedanken und zwischenmenschliche Interaktionen ein. Man wird, unausweichlich, viel mit dem Thema des immer wiederkehrenden Kreises von Leben und Tod konfrontiert und zeitweise hat man das Gefühl, dass dies kein Jugendbuch ist, andererseits lässt der Autor wirklich jede erdenklich mögliche Situation in sein Buch mit einfließen, die bei einer so ausgearteten „Apokalypse“ gar nicht unwahrscheinlich wirken. Sehr authentisch beschreibt er ihre Wege und die dabei auftretenden Schwierigkeiten, die sich zum Ende des Buches sogar noch ins Maßlose steigern.

Viele Begebenheiten sind vorausschaubar, von anderen wird man wiederum im genau richtigen Moment überrascht. Man hat mit vielen unterschiedlichen Emotionen zu kämpfen, wie Ärger, Mitleid, Trauer, Freude, Überraschung und beschäftigt sich mit den Themen rund um die Liebe, Freundschaft, Zweckgemeinschaft, Hass, Tod, Neid, Missgunst und Größenwahn. Bereits existierende Abgründe in unserer Gesellschaft werden von Chris Weitz geschickt aufgenommen und thematisch so verarbeitet, dass man gleichzeitig über den Werdegang unserer heutigen Gesellschaft nachdenken muss!

Das Ende würde ich als abrupt beschreiben, die Fäden der Geschichte kommen schlussendlich an einem gemeinsamen Punkt zusammen und der daraufhin eigentlich folgende explosive Spannungs-Vulkanausbruch bleibt leider durch die Erzählgeschwindigkeit aus, weswegen ich dem Buch auch einen Stern abziehen muss. Doch die authentische Geschichte, mit den wirklich überaus sympathischen und realistischen Charakteren, lässt über diesen kleinen „Makel“ hinwegsehen und breitet ein freudiges Erwartungsgefühl auf die nächsten zwei Bände aus!
Ich kann jedem, der sich für Dystopien interessiert, diese Geschichte wärmstens ans Herz legen, denn von der Idee her ist es einfach unübertreffbar.