Meisterliche Federführung

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Ross Wakeman ist so etwas wie ein Geisterjäger oder zumindest ein Gehilfe von Curtis Warburton. Doch als er die fiesen Machenschaften dahinter entdeckte, läßt er alles liegen und stehen (sogar seine teure Kameraausrüstung) und geht. Sein erster Weg führt ihn direkt zu seiner Schwester und seinen kranken Neffen. Ethan ist ein aufgeweckter Junge, der an XP leidet (er ist auf die Sonne allergisch!). Ross, der seine geliebte Aimee verloren hat, ist seelisch kaputt, hat bereits mehrere Selbstmordversuche hinter sich und erklärt dem Leser, dass er nicht sterben kann. An sich schon ein Punkt, wo man verwundert inne hält. Man sagt: Wunder gibt es immer wieder. Doch solche Wunder sind Ross schon dreimal widerfahren!

Als nächsten lernt man Spencer Pike kennen, ein alter kranker Mann, der in einer Pflegeeinrichtung liegt und von einem Baby redet, dass es nicht gibt.

Der dritte Strang beginnt, indem man Eli Rochert vor die Nase gesetzt bekommt und einen kleinen Überblick über die Ortschaft Comtosook erhält.

Und dann fängt noch ein vierter Strang an. Da mir bis dahin (wir sind immer noch auf den ersten 20 Seiten und es wurden dem Leser ohne Übertreibung bis dahin schon mindestens 10 verschiedene Namen um die Ohren geschmissen) die Namen noch nicht wirklich geläufig sind, verbinde ich Shelby Wakeman noch nicht mit Ross. Auch hier bekommt man einen ersten Überblick und erfährt etwas über die betreffende Person.

Auf Seite 25 fängt zu allem Überfluß noch ein fünfter Faden an und zeigt ein Bild von Az Thompson.

Trotz all dieser anfangs verwirrenden Stränge, führt Jodi Picoult den Leser behutsam in die richtige Richtung. Ihre Art das Thema Gespenster und auch das Eugenik Projekt anzugehen, ist ebenso behutsam, aber dennoch aufzeigend (nicht anklagend, vielleicht wäre bezüglich der Eugenik das Wort "aufdeckend" besser angebracht). Amerikanische Geschichte hat mich nie wirklich interessiert (abgesehen von den Indianern) und daher war mir absolut nichts über Eugenik und das Sterilisationsgesetz in manchen Staaten bekannt. Erschreckend, wie sich immer wieder gewisse Teile der Menschheit zu den Herren der Welt aufschwingen wollen...
Von Kapitel zu Kapitel nimmt die Geschichte immer stärkere Umrisse an. Allmählich verbindet man bestimmte Protagonisten miteinander und sieht immer wieder deren Sichtweise. Als Lia auftaucht, wird es immer mysteriöser. Wendungen werden vom Leser regelrecht erwartet, doch in welche Richtung sie gehen, überrascht dennoch. Nichts ist erahnbar. Jodi Picoult hat hier meisterlich die Feder geführt.

Einziges Manko an der Story: Das Ende wirkt irgendwie nicht mehr glaubwürdig auf mich. Nicht die Auflösung der einzelnen Stränge, sondern Ross "Unsterblichkeit". Sie wird auch nicht aufgeklärt. Auch Az Selbstmord ist für mich unverständlich. Ich glaube nicht, dass ein Indianer jemals auf so eine Idee kommen würde. Ansonst ist der Roman super gelungen und läßt den Leser auch nicht mehr los, bis man die letzte Seite gelesen hat.