Ein Schicksal, das unter die Haut geht. Sehr berührend

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natyvo Avatar

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In Hera Linds neuem Tatsachenroman „Zeit zu verzeihen“ wird das Schicksal von Clara und Viktor erzählt. Beide waren Flüchtlinge aus Ostpreußen, doch ihrer beider Leben verlaufen ganz unterschiedlich. Die Mütter Rosa und Barbara begegnen einander flüchtig, als 1945 angeblich der letzte Zug Richtung Westen fährt. Doch manchmal entscheiden ein paar Minuten über das ganze Leben.

Hera Lind hat in ihrem neuen Tatsachenroman die Lebensgeschichten von mehreren Personen einfließen lassen und daraus eine Geschichte geschrieben. Das Buch ist in zwei Teile gegliedert. Sehr berührend beschreibt sie im ersten Teil des Buches das Schicksal von Viktor, der mit seiner Mutter und seinen beiden Brüdern verzweifelt versucht den letzten Zug Richtung Westen zu erreichen. Seine Mutter ist eine starke Frau, die unerbittlich für das Wohl und die Zukunft ihrer Familie kämpft. Dabei muss sie einige harte Schicksalsschläge ertragen.
Die Geschichte von Clara und ihrer Mutter ging mir sehr unter die Haut. Was muss eine Mutter fühlen, die von ihrem Kind auf solche brutale Weise getrennt wird. Einzig und allein der Gedanke auf ein Wiedersehen sorgt dafür, dass sie die Strapazen in Sibirien aushält, wobei ihre Geschichte größtenteils im Hintergrund bleibt. Im zweiten Teil steht Claras Geschichte im Vordergrund. Dieser Teil hat mich sehr aufgewühlt. An manchen Stellen musste ich das Buch notgedrungen kurz aus der Hand legen um durchzuatmen. Ihr Schicksal wird mir noch lange im Kopf bleiben. Unfassbar, was sie alles ertragen und aushalten musste. Sie ist eine starke Frau, die nie den Mut und die Hoffnung verliert. Von ihr kann man lernen, dass Aufgeben im Leben keine Option ist. Komme was da wolle.
Der Schreibstil der Autorin ist wie gewohnt sehr flüssig und leicht zu lesen. Die Seiten flogen nur so dahin. Besonders gut gefallen haben mir die Einblicke in Viktors Tagebuch im ersten Teil des Buches. Es ist einfach etwas Besonderes, wenn man die realen Gedanken und Gefühle in gewissen Situationen nachvollziehen kann. Insgesamt ist das Buch aber keine Biografie. Es sind nur ein paar Ausschnitte aus dem Tagebuch, die dem Buch und der Geschichte eine besondere Würze verleihen. Im ersten Teil des Buches wird abwechselnd aus der Sicht der beiden Mütter (Rosa und Barbara) erzählt. Im zweiten Teil treten diese beiden Personen eher in den Hintergrund und beide Kinder (Clara und Viktor) stehen im Vordergrund. Viktor fand ich sehr bewundernswert. Auch er kämpft unerbittlich für sein Glück und muss dabei so einiges aushalten. Der Spannungsbogen in der Geschichte wird durch eine abwechselnde Erzählweise der Protagonisten aufrechterhalten. Der zweite Teil des Buches hat mich noch mehr gefesselt als der erste Teil. Ich wollte einfach nur wissen, ob es Clara und Viktor gelingt ihr Schicksal zum Guten zu wenden.

Fazit: Wieder einmal hat mich Hera Lind mit ihrem Tatsachenroman begeistert. Auch wenn die Schicksale der Menschen oft unter die Haut gehen und sehr berührend sind, lese ich die Geschichten sehr gerne. Dabei frage ich mich immer wieder, wie viel ein Mensch ertragen und aushalten kann, ohne daran zu zerbrechen. Meinen Respekt vor einigen Menschen und deren überwundenes Schicksal kennt keine Grenzen. Ich freue mich jetzt schon auf den nächsten Tatsachenroman der Autorin.