Ungewöhnlich, düster und einzigartig

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damlareads Avatar

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Zeitbrand: Genesis ist ein düsterer, ungeschönter Auftakt in eine komplexe Fantasywelt, die sich vor allem durch ihre vielen Perspektiven und moralisch grauen Charaktere auszeichnet. Besonders gefallen hat mir die Vielzahl an POVs, die verschiedene Blickwinkel auf die Welt und ihre Konflikte ermöglichen. Dadurch entsteht ein vielschichtiges Gesamtbild, das mich immer wieder überrascht hat – ich wusste nie, welcher Charakter als Nächstes an der Reihe sein würde oder was im nächsten Kapitel passieren könnte. Diese Unvorhersehbarkeit ist für mich einer der größten Pluspunkte des Buches.

Was mir allerdings gefehlt hat, war eine Karte oder Übersicht des Kontinents. Bei der Fülle an Schauplätzen und Figuren wäre das eine wertvolle Orientierungshilfe gewesen, wie sie bei vielen Fantasyromanen üblich ist. Auch ein Personenregister hätte den Einstieg erleichtert, da die vielen Handlungsstränge anfangs etwas überwältigend wirken.

Das Magiesystem blieb für mich etwas undurchsichtig. Während Rhea über Kräfte und einen Drachen verfügt, scheinen andere Figuren keine Magie zu haben – hier hätte ich mir mehr Erklärung oder Hintergrund gewünscht. Ebenso blieb die angedeutete Dynamik zwischen Rhea und Lucio etwas offen. Ich hatte mit einer sich entwickelnden Beziehung gerechnet, stattdessen endet ihre Geschichte mit vielen Fragezeichen. Das passt zwar zum Stil des Autors, der offenbar gern mit offenen Enden arbeitet, hinterlässt aber dennoch ein Gefühl von Unvollständigkeit.

Positiv hervorheben möchte ich, dass das Buch dunkle und unbequeme Themen nicht scheut. Alles, was in den Triggerwarnungen erwähnt wird, wird realistisch und ohne Beschönigung dargestellt. Besonders stark fand ich die ehrliche Schilderung gesellschaftlicher Grausamkeiten – etwa, wie Menschen ausgestoßen oder öffentlich bloßgestellt wurden. Diese ungeschminkte Härte hat die Welt lebendig, wenn auch bedrückend echt wirken lassen.

Mit der Hauptfigur Rhea konnte ich mich jedoch nur schwer identifizieren. Sie ist brutal, kämpferisch und oft gnadenlos – was sicherlich bewusst so geschrieben ist. Dennoch hätte ich mir mehr Einblicke in ihre inneren Beweggründe gewünscht, um ihr Handeln besser nachvollziehen zu können. So blieb sie mir emotional etwas fremd.

Trotz dieser Kritikpunkte hat Zeitbrand: Genesis für mich etwas Einzigartiges. Es ist anders als vieles, was ich bisher im Fantasybereich gelesen habe – düster, kompromisslos und nicht vorhersehbar. Genau das macht den Reiz aus, auch wenn es den Einstieg etwas erschwert.

Fazit:
Ein anspruchsvoller, ungewöhnlicher Fantasyauftakt mit vielen Perspektiven und mutigen Themen. Wer klassische Heldenreisen erwartet, wird hier nicht fündig – wer aber düstere, komplexe Erzählungen mit moralisch ambivalenten Figuren schätzt, sollte Zeitbrand: Genesis eine Chance geben.