Anders als erwartet

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"Zeiten der Langeweile" von Jenifer Becker befasst sich mit einem top-aktuellen Thema und setzt sich mit einigen interessanten Fragen auseinander: Wie viel Lebenszeit verbringen wir online statt offline? Wie sehr können wir noch im Hier und Jetzt leben? Und wieweit reicht der Einfluss der sozialen Medien? Diese und viele weitere Fragen sind mir nach den ersten Seiten bei mir aufgetaucht.

Um was geht es:
Mia, die Protagonistin in ihren 30ern, steht gerade am Ende ihrer Promotion und somit auch an einem Punkt in ihrem Leben, an dem sie sich damit beschäftigt, wie sie nun eigentlich leben will. Als eine Art Befreiungsschlag wirkt zunächst die Idee, sich zunehmend vom digitalen Ich zu verabschieden, den Konsum sozialer Medien einzuschränken und mehr am "richtigen" Leben teilnehmen zu wollen. So vielsversprechend und befreiend dieser Gedanke zunächst wirkt, so beklemmend spürt sich dann die Umsetzung an - denn Mia ist vorallem eines: von Angst getrieben. Immer mehr wird es zur Bessenheit all ihre digitalen Spuren zu beseitigen und zunehmend gerät sie ins gesellschaftliche Abseits.

Mein Eindruck:
Während den ersten Seiten erwartete ich mir noch eine inspirierende Geschichte die sich zugleich kritisch mit gesellschaftlichen Themen auseinandersetzt. Zweiteres trifft auf den Roman auf jeden Fall zu, aber inspirierend ist das Buch keineswegs, sondern vielmehr beklemmend, bedrückend und auf bestimmte Weise beängstigend. Und nicht bezogen auf die digitale Welt und unseren Umgang damit, sondern wohin uns Ängste treiben können und wie sehr man sich durch Angst sein eigenes Gefängnis bauen kann. Leider kommt die Protagonistin selbst nicht dazu, ihr Verhalten ausreichend zu reflektieren, sondern verfängt sich immer mehr in ihren Überzeugungen.

Sofern man keine Feel-Good-Geschichte erwartet, ist das Buch auf jeden Fall empfehlenswert. Es liest sich - trotz bedrückender Stimmung - angenehm und stoßt während dem Lesen als auch im Nachklang so einige Gedankengänge an.