Ein erschreckend wirklichkeitsnaher Roman

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jens1991 Avatar

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Eigentlich sollte es nur ein harmloses Experiment werden. Mila Meyring ist Anfang dreißig und lebt in Berlin. Sie fühlt sich zunehmend überfordert von der digitalen Welt und empfindet ihre Sichtbarkeit in sozialen Netzwerken als beängstigend. Deshalb verabschiedet sie sich aus dem Internet und beginnt sukzessive ihre Spuren zu verwischen. Doch dies wird zunehmend zu einer Obsession für Mila und zieht einige Probleme nach sich. Sie begreift schnell, dass der Abschied aus den digitalen Welten gleichzeitig in gewisser Weise ein sozialer Abschied ist und sie immer mehr isoliert. Mila wird zu einer digitalen Asketin und findet sich in einer Welt aus Einsamkeit und Verfolgungswahn wieder.

Mit "Zeiten der Langeweile” legt Jennifer Becker einen äußerst interessanten Debütroman vor, der eine Balance zwischen Gesellschaftskritik und Satire schafft. Im Kern geht es dabei um die Abhängigkeiten von digitalen Welten, insbesondere im Bereich der sozialen Vernetzung. Die Protagonistin entwickelt eine Art digitale Paranoia und begibt sich auf einen Feldzug. In einer Welt, die sich teils radikal verändert, versucht sie durch dieses Handeln die Kontrolle zu behalten und scheint hierbei jedoch zu scheitern. Die Autorin besitzt dabei eine messerscharfe Beobachtungsgabe und hat einen zeitgemäßen Roman geschaffen. So sind auch Themen wie Corona, Inflation oder der Ukraine-Krieg Teil der Gedankenwelt von Mila und laden den Leser zum Reflektieren ein. In Anbetracht all der unterschiedlichen Schlachtfelder, zog sich die Handlung zum Ende hin allerdings etwas in die Länge. Alles in allem ein erschreckend wirklichkeitsnaher Roman.