Spannendes Thema, anstrengende Umsetzung

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Die Geschichte einer Social Media-Aussteigerin: ein sehr aktuelles und persönliches Thema und deshalb auch der Grund, warum ich anfangs sehr große Lust auf den Roman "Zeiten der Langeweile" hatte.

Jenifer Becker schreibt nüchtern, direkt und mit einer ordentlichen Prise Zynismus. Orientiert an zahlreichen aktuellen Ereignissen wie der Corona-Krise und dem Ukraine-Krieg schildert sie aus Sicht der dreißigjährigen Mila, wie es sich anfühlt, sich stückweise selbst aus dem Internet zu löschen. Dabei stehen vor allem Milas Ängste, gecancelt zu werden, und die Beziehung zu ihrer Querdenker-nahen Familie im Vordergrund.

Leider hat mich der Roman nicht fesseln können und ich bin trotz des flüssigen Schreibstils und des tollen Covers nicht auf den Geschmack der Geschichte gekommen. Zwar sind die Gedanken und Gefühle der Protagonistin sehr realitätsnah und man sollte sich als junge Leserin mit ihr identifizieren können, zugleich habe ich aber beim Lesen immer wieder geschwankt zwischen Sympathie und Genervtsein. Vielleicht sind es die konstanten Beschwerden Milas über ihre Familie, weil diese zu den "Impfgegnern" gehören, oder vielleicht sind es auch die ständigen popkulturellen und politischen Bezüge, die oft noch in einen Nebensatz gequetscht daherkommen und immer wieder darauf hinweisen, wie woke und aufgeklärt und aktivistisch die Protagonistin doch ist. Natürlich passt das alles in das Milieu, in dem die Handlung sich abspielt, aber es kann trotzdem mitunter sehr anstrengend zu lesen sein.

Des weiteren scheint die Geschichte einfach nicht in Gang zu kommen. Ein Grund dafür ist wahrscheinlich auch, worauf der Titel des Romans schon ganz offensichtlich hindeutet: wer sein Social Media löscht, der wird vor allem erst einmal sehr viele "Zeiten der Langweile" aushalten müssen. Mich persönlich hat das tatsächlich sehr zum Nachdenken angeregt über den eigenen Medienkonsum, Social Media Profile und Bildschirmzeiten. Dafür 3 Sterne! Die Geschichte wird leider dadurch trotzdem nicht spannender zu lesen und ich musste das Buch leider zur Seite legen.