Unterhaltsame Kulturkritik

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„Zeiten der Langeweile“ handelt von Mila, die beschließt, sich komplett aus dem Internet zu löschen. Nicht nur einfach das Smarthphone für ein paar Tage in den Flugmodus, sondern ein komplettes Abkoppeln aus der digitalen Welt, um wirklich nirgendwo mehr eine Datenspur zu hinterlassen. Kein Social Media mehr, keine Onlinezahlungen, nicht einmal mehr auf Fotos erscheinen, sobald diese irgendwo im Netz auftauchen könnten. Milas zum Drang werdender Wunsch, wirklich keinerlei Spuren mehr zu hinterlassen, unauffindbar zu sein, ist irgendwo zwischen Selfcare und Systemwiderstand zu verorten, und insofern nachvollziehbar, als etwa ständige Verfügbarkeit und ungewollte Offenlegung von Privatsphäre die Menschheit durchaus in Abhängigkeit von moderner Technologie drängen. Die Reise der Protagonistin hätte am Ende durchaus etwas zielgerichteter sein dürfen, ihr Charakter war für mich letztlich leider nicht ganz greifbar, was teils daran liegen mag, dass sie selbst auch erst nach und nach dahinterkommt, was ihr Entschluss für sie bedeutet. „Zeiten der Langeweile“ beschäftigt sich nämlich nicht nur mit dem befreienden Gefühl, das Milas Wandel zur analogen Einsiedlerin inmitten des digitalen Zeitalters mit sich bringt, sondern gemäß dem Titel auch mit der daraus folgenden Leere und der Entfremdung zu ihren Freundschaften, Bekannten, sowie ihrer ganzen Umwelt. Diesen sich steigernden monotonen Frust beschreibt Jenifer Becker in ihrem unterhaltsam nachdenklichen Roman sprachlich passend, ein gelungener Debütroman.