Ausnahmezustand

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Der Neurochirurg, Oberarzt Dr. Evans bekommt kurz vor Dienstende einen schwerverletzen Jungen in die Notfallambulanz. Der Junge ist anscheinend Mitglied einer berüchtigten Gang, von oben bis unten tätowiert, noch keine sechzehn und schwerverletzt. So schwer dass er vielleicht querschnittsgelähmt bleibt, sollte er nicht sofort operiert werden. In der teuren Privatklinik in der Dr. Evans arbeitet, zählt jedoch der Kostenfaktor und so muss der leitende Oberarzt erst einmal einen kleinen Disput mit der Klinikleiterin ausführen. Zur gleichen Zeit spielen sich in seinem Haus dramatische Szene ab. Sein Kindermädchen Svetlana wird ermordet und seine kleine Tochter Julia wird entführt. Dies wird ihm aber erst viele Stunden später, nach Dienstende, klar. Als Erstes entdeckt er nur das Fehlen seiner Tochter, und da sein Schwiegervater bei seinem letzten Besuch verlangt hat, das seine Enkelin, nach dem Freitod von Julias Mutter bei ihm aufwächst, fährt er dorthin, um seine Tochter wieder abzuholen. Doch dort angekommen, muss er feststellen, dass sein Schwiegervater mit dem rätselhaften Verschwinden nichts zu tun hat. Wenig später meldet sich der Entführer per SMS und unterbreitet Dave ein ungeheuerliches Angebot um seine Tochter wieder zurück zu bekommen. Dave soll den mächtigsten Mann der Welt töten, während einer neurochirurgischen OP. Eine Operation für die Dave erst kürzlich erwählt wurde, und die der Öffentlichkeit gar nicht bekannt sein dürfte. Hilfe erhofft er sich nur noch von seiner Schwägerin, die beim Secret Service tätig ist, aber wie soll er sie kontaktieren?

Schon während der ersten Seiten erinnerte mich der recht zynischen Schreibstil an Samuel Shem’s „House of God“. Ähnlich „hart aber herzlich“ schildert der Autor den stressigen Alltag eines Mediziners sehr realistisch. Die geschilderten Schutzmechanismen, von denen ein Patient natürlich nichts hören möchte, gibt es tatsächlich. Dieses rationale Denken und Fühlen, die Distanziertheit zum Patienten und seiner Leiden. Doch während oben erwähntes Buch ein teilweise autobiographischer Roman ist, bringt dieser Autor noch eine gehörige Portion Spannung und Nervenkitzel unter. Auch wenn man schon zu Beginn des Buches weiß das der Neurochirurg aus diesem Alptraum im Gefängnis aufwacht, fiebert man trotzdem von Anfang an mit.
Eine klaustrophobisch anmutende Szenerie in der sich der Protagonist befindet. Er wird schon seit einiger Zeit überwacht, in seinem Haus und in der Klinik. Doch von all dem merkt er nichts, erst als die Dinge ihren Lauf nehmen und dann kommt er nur schwerlich raus aus diesem Teufelskreis, weil er seine Tochter abgöttisch liebt.
Ein bemerkenswertes Psychospielchen das sich Juan Gómez-Jurado ausgedacht hat und es fesselte mich als Leser ungemein. Einige wenige dramaturgische Schwächen sind mir zwar aufgefallen, sie haben mich jedoch nicht sonderlich gestört. Besonders gut hat mir die Recherche zum Alltagsbild eines Neurochirurgen und das Arbeiten im Krankenhaus sowie die Darstellung der dort erwähnten Protagonisten gefallen. Nicht nur weil diese authentisch geschildert wurden sondern weil es in groben Zügen auch der Wahrheit entspricht. Besonders glaubwürdig sind die Interaktionen des Personals in der fiktiven Privatklinik, so oder so ähnlich spielen sie sich auch Tag für Tag in deutschen Kliniken ab.
Diesen Thriller kann ich sehr empfehlen.