Augen auf bei der Berufswahl!

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mammutkeks Avatar

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Dies kann man fast allen Protagonisten aus Elisabeth Hermanns Spionage-Thriller "Zeugin der Toten" wohl ans Herz legen. Sind sie doch - hüben wie drüben - inzwischen unzufrieden damit, den jeweils anderen deutschen Staat ausspioniert zu haben oder gegen andere Geheimdienste integriert zu haben.

Probleme mit der Berufswahl hat offenbar auch Kai, der junge Mann, der der Cleanerin Judith Kepler zugeteilt wird. Während sie davon spricht, dass sich dieser eigenartige Beruf der Tatort-Reinigung sie selbst ausgesucht hat, ist Kai weniger davon begeistert. Doch diese Tätigkeit spielt nur eine untergeordneter Rolle - ist aber der Auslöser für die Suche nach der eigenen Geschichte, die Judith nach der Reinigung einer Wohnung beginnt, in der eine etwa gleichaltrige Frau erschossen aufgefunden wurde. Denn hier bekommt sie plötzlich Post vom Kinderheim Jurij Gagarin in Sassnitz - dem Kinderheim, in dem sie aufgewachsen ist.

Aus dem Prolog ist dem Leser bereits bekannt, dass das Kind Judith Kepler gar nicht Judith Kepler ist, sondern Christel Sonnenberg. Doch diese Tatsache scheint das damals fünfjährige Mädchen vergessen zu haben. Doch jetzt beginnt sie mit der Suche nach der Vergangenheit - einer Suche, die tödlich enden kann.

Denn in der Vergangenheit haben das MfS, das Ministerium für Staatssicherheit, der BND (Bundesnachrichtendienst), die CIA (Central Intelligence Agency), der KGB, der sowjetische Geheimdienst, und andere Geheimorganisationen vieles getan, was unter dem Deckmantel des Vergessens bleiben soll. Und dafür sind sie auch noch 25 Jahre später bereit zu töten.

Spionage-Thriller kennt man eigentlich eher aus dem USamerikanischen Bereich. Doch auch Elisabeth Hermann kann es mit dem eigenartigen Konglomerat aus Gut und Böse, aus vielen, vielen Namen und Personen, aus Übertreibung und historischer Genauigkeit. Verwirrend sind die vielen Personen, verwirrend mag für viele auch sein, dass der BND nicht pauschal gut und das MfS nicht pauschal schlecht ist.

Allerdings ist die Hauptfigur weniger gut getroffen. Aus dem Ex-Junkie und dem Mädchen, dass bei Dombrowsky Facility Management gerade noch die Kurve gekriegt hat, wird eine Superheldin, die alle Angriffe auf ihr Leben übersteht, den einen oder anderen Agenten ausknockt, beinahe problemlos einbricht und wieder ausbricht, auch mit heftigen Verletzungen stark bleibt usw. usw. Leider unlogisch!

Auch an familiären Zufällen gibt es für mich zu viele in dem gut geschriebenen und flüssig lesbaren Spionage-Roman. Allerdings passen weder Klappentext noch das Cover wirklich gut zum Buch. Und das Thema "Cleaner" würde mich doch auch noch weiterhin interessieren. Denn auch aus dem Ansatz scheint sich noch so einiges entwickeln zu lassen.