Beklemmend gut

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Judith Kepler ist keine Heldin aus dem Bilderbuch. Aufgewachsen unter teils menschenunwürdigen Umständen in einem Kinderheim in der ehemaligen DDR, wurde sie zu einer drogensüchtigen Ausreißerin, die ihr Leben im letzen Moment noch in den Griff bekommen hat. Jetzt ist sie Anfang Dreißig, zäh, hart gegen sich und andere, misstrauisch und lässt niemanden an sich heran. Auf dem Arbeitsmarkt war sie nicht vermittelbar, ihre einzige Chance war, Cleanerin zu werden und nun reinigt sie Tatorte, nachdem sie von der Polizei frei gegeben wurden. Weder Blut noch Maden bringen sie nach außen hin aus der Ruhe - erst als sie an einem Tatort durch blanken Zufall mit ihrer Vergangenheit, ihrer Akte aus dem Kinderheim Juri Gagarin, konfrontiert wird, erwacht etwas in ihr.

Titel und Klappentext lassen auf einen Krimi schließen, doch Elisabeth Herrmann entwickelt Zug um Zug einen Agenten- und Spionagethriller, der in den Zeiten des Kalten Kriegs in der DDR beginnt und bis in unsere heutige Zeit reicht.

Die Autorin webt ein Gespinst aus Lügen, Täuschung, Verrat, Spionage und Gegenspionage, Hilflosigkeit, Betrug und eiskalten Killern hinter biederen Fassaden, in das Judith immer tiefer hinein gezogen wird. BND, Stasi, CIA, ehemalige und aktive Agenten, alle heften sich an Judiths Spuren, um zu verhindern, dass sie hinter das Geheimnis kommt, warum sie 1985 als kleines Kind ihren Eltern entrissen und unter falscher Identität in das Kinderheim gesteckt worden war.

Quirin Kaiserley, Ex-BND-Agent und nun selbst auf der Abschussliste der Nachrichtendienste, will sie abhalten, sie vor sich selbst und den Häschern der Geheimdienste schützen - oder folgt er nur seinen eigenen Interessen? Eine Hetzjagd durch die Stätten von Judiths Vergangenheit beginnt, in der nicht nur Illusionen und Erinnerungen auf der Strecke bleiben und die beim Leser ein beklemmendes Gefühl von Unfreiheit und Überwachung zurück lassen.

In meinen Augen ist der Autorin mit diesem Buch ein wirklich guter Spionagethriller gelungen. Obwohl ich bislang kein Faible für dieses Genre hatte, war ich von der ersten Seite an gefesselt. Die Charaktere, allen voran Judith Kepler und Quirin Kaiserley, sind eigenständige Charaktere mit Ecken und Kanten, mit Selbstzweifeln und Fehlern, die unvernünftig handeln und deshalb umso glaubwürdiger sind. Es fällt nicht schwer, sich mit Judith und ihrer Suche zu identifizieren undsselbst wissen zu wollen, welche Geheimnisse in ihrer Vergangenheit lauern.