Lügen auf Rügen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
tochteralice Avatar

Von

Gleich vorweg: ich bin ein großer Fan von Elisabeth Herrmanns Krimis und habe sie alle verschlungen. Ihnen gemein sind die intelligenten Einblicke in und Verweise auf verschiedene Stationen historischer Art sowie auf die Gesellschaft und soziale Phänomene in unserem Land. Im Mittelpunkt sind stets Figuren mit Macken - Menschen, denen es - vor allem psychisch, gelegentlich auch finanziell - an etwas mangelt und die definitiv nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, die dies jedoch häufig nicht oder nur teilweise selbst verschuldet haben. Sie müssen im Alltag - oft gegen gesellschaftliche Einflüsse - ihren Mann - oder wie im Fall der Cleanerin Judith - ihre Frau stehen und geraten auch noch in den Strudel krimineller Machenschaften, deren Ursache bei Hermann oft in der Vergangenheit liegt. Wer wie ich dieser Art von Lektüre etwas abgewinnen kann, ist bei dieser Autorin gut bedient und wird das Buch nicht aus der Hand legen könne.

Der neue Herrmann startet wie soviele andere: mit einem Knaller aus der jüngsten deutschen Geschichte, der sich mithilfe vieler Schnörkeleien und Verwinklungen bis in die Gegenwart verdichtet. Hier wird der Faden in der DDR der 1980er Jahre aufgenommen: Christel kommt ins Heim in Sassnitz/ Rügen und heisst ab jetzt Judith. Die Betreuerin wird bestochen, um ab sofort dicht zu halten. Der Leser hingegen ist irritiert. Wer ist Christel und warum heisst sie ab jetzt Judith? Wer ist die erwachsene Judith, der wir im 21. Jh in ihrem Job als Cleanerin in Berlin begegnen? Das Buch entwickelt sich zur Suche Judiths nach ihrer Identität, diese wiederum gestaltet sich zu einer Verbrecherjagd unter Einbindung aktueller und ehemaliger Agenten.

Herrmanns gefälliger, durchaus anspruchsvoller Schreibstil unterstreicht noch die Entwicklungen, die den Leser neben dem Dreh- und Angelpunkt des Geschehens - oder sollte man sagen, des Bösen? - Sassnitz auf Rügen auch nach Berlin, München und ins schwedische Malmö führen und ihm einen Einblick in die Welt der Geheimdienste nicht ersparen.

Ein Geheimnis rankt sich um Elisabeth Herrmanns neuestes Romansujet. Eingebettet in eine ereignisreiche Epoche der deutschen Geschichte, ist es wie so oft bei dieser Autorin lehrreich und unglaublich unterhaltsam zugleich. Die Mosaiksteine aus Vergangenheit und Gegenwart fügen sich auf geschickte und unerwartete Weise zusammen, das Ende ist zwar absehbar, aber doch anders als erwartet.

Geht nicht?

Doch! Selber lesen - man wird sich wundern!