Zwei Frauen auf dem Weg zum Glück

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chaosbaerchen Avatar

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Die Herzchirurgin Konstanze Keller-Stein ist Mitte 40 und rundum perfekt. Sie hat einen tollen Job, in dem sie die Beste ist, einen tollen Mann, mit dem sie zusammen auf derselben Station arbeitet, und sie führt darüber hinaus auch noch vorbildhaft den vierköpfigen Haushalt inklusive der aufwendigen Pflege des farbenfrohen Garten. Dass das, was sie da schon seit Jahren tagtäglich leistet, unmenschlich ist, das ist Konstanze nicht bewusst - für sie ist das hochtourige Leben normal und alles darunter unerträglich. Sie sieht in Vollzeitmüttern Prinzessinnen, die einfach nicht belastbar bzw. eben nicht so perfekt sind wie sie selbst.

Als sie eines Tages im Krankenhaus in voller Fahrt die Treppe herunterfällt und sich einen komplizierten Unterschenkelbruch zuzieht, wird sie quasi gezwungen, mal innezuhalten und sich mit sich selbst und ihrem Leben zu beschäftigen. Was dabei herauskommt, das ist nicht unbedingt das, womit sie sich bisher identifiziert hat und was sie sich eingestehen will. In der Rehaklinik wird ihr aufgrund eines Buchungsfehlers ein Doppelzimmer statt des ihr versicherungstechnisch zustehenden Einzelzimmers zugewiesen, was sie als unzumutbare Frechheit empfindet. Zudem begegnen ihr hier auch noch Menschen, die sie in ihrem altem Leben nicht wahrgenommen und an sich herangelassen hätte, mit denen sie sich aber nun bei der gemeinsamen Therapie irgendwie arrangieren muss.

Jacqueline Holter ist die dreifache Mutter, hat drei schlecht bezahlte Nebenjobs als ungelernte Kraft und lebt chronisch am Existenzminimum. Mehrmals pro Woche geht sie mit den Kindern zur Tafel, um diese satt zu bekommen. Sie will sich gerade von ihrem untreuen Freund, der nicht der Vater der Kinder ist, trennen, als ein Bandscheibenvorfall sie dazu zwingt, ihm der Kinder wegen noch mal eine Chance zu geben.
Jacqueline empfindet den Aufenthalt in der Rehaklinik, der mit dem Tagegeld sämtliche Reserven auffrisst, als Urlaub. Ihre schlecht gelaunte und streitlustige Zimmergenossin Konstanze ändert daran zunächst wenig. Nichtsdestotrotz muss auch Jacqueline hier Farbe bekennen.


Meine Meinung:

Die beiden Frauen, die durch den Systemfehler in einem Zimmer landen, sind zwar komplett verschieden, haben aber doch letztlich etwas gemeinsam, das sie verbindet: sie sind Frauen, die kein glückliches und ausgefülltes Leben führen, auch wenn sie sich das nur schwer eingestehen können. Durch den Austausch der beiden Perspektiven können sie sich jedoch gegenseitig mehr helfen, ihr Leben zu ändern, als sie selbst es auch nur im Traum vorher gedacht hätten.

Ich finde, dass die Autorin die beiden Charaktere von Konstanze und Jacqueline hervorragend gegeneinander abgegrenzt hat. Man bekommt als Leser einen sehr guten Einblick in die schon aufgrund der unterschiedlichen finanziellen Situation bedingten gegensätzlichen Perspektiven.

Das Buch bietet zahlreiche Denkanstöße im Hinblick auf die Doppelrolle der Frau in der heutigen Gesellschaft und meiner Meinung nach enthält es sogar letztlich eine Art Moral, die sich jede Frau mal vergegenwärtigen sollte: das Leben ist nicht dazu da, perfekt zu sein und anderen (und nicht zuletzt sich selbst) etwas zu beweisen. Vielmehr sollte man es genießen und glücklich sein, bei dem was man tagtäglich tut und lässt - dann stellt sich der Erfolg automatisch ein!