Hitzige Kleingartenidylle

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Im zweiten Fall von Zorn und Schröder hat sich an der Gesamtsituation nicht viel verändert. Claudius Zorn ist immer noch tödlich gelangweilt von seinem Job und der Arbeit im allgemeinen, zudem musste er die letzten drei Monate auf seinen Kollegen Schröder verzichten. Jener war bei dem Frühlingsdrama im Dauerregen dem Tod gerade so von der Schippe gesprungen und musste sich lange von seinen schweren Verletzungen erholen. Auch seelisch scheint beim dicken Schröder etwas hängen geblieben zu sein, Zorn erlebt einige ungewohnte Situationen und Ausbrüche mit seinem sonst so folgsamen Kollegen. Dennoch ist es gut, dass Schröder wieder einsatzfähig ist, denn im Stadtwald wird ein jugendlicher Radsportler nahezu enthauptet und wenig später geht ein weiterer Jugendlicher aus der gleichen Clique auf dem 10-Meter-Turm im Freibad in Flammen auf. Ein Pastor ist involviert, Kindesmissbrauch wahrscheinlich ein Motiv, das Wetter spielt erneut verrückt und straft das Städtchen mit einer anhaltenden Hitzewelle und Staatsanwältin Borck raubt Zorn den letzten Nerv.
Stephan Ludwigs Krimi entwickelt trotz seiner arbeitsscheuen Hauptfigur ein rasantes Tempo, dem man sich als Leser nicht entziehen kann. Das Zusammenspiel aus Handlung und Figurengestaltung ist unterhaltend, ironisch, spannend, abstrus und mörderisch. Claudius Zorn tappst von einem Fettnäpfchen ins nächste und stellt überraschend unter Beweis, dass auch er zur Selbstreflektion fähig ist, wenn auch in keinster Weise ausdauernd. Selten habe ich so überzeugend wie unterhaltend so wenig Persönlichkeit bei einer literarischen Figur erlebt und muss überrascht feststellen, dass ich beginne den profillosen Hauptkommissar zu mögen. Eigentlich ist Zorn eine arme Sau – seine Arbeit langweilt ihn zu Tode, Waffen kann er nicht ausstehen, Hobbys hat er keine, außer dass er bei guter Musik Löcher in seine Zimmerwand starrt und dabei an nichts denken kann, stundenlang, tageweise. Die möglicherweise richtige Frau hielt es nur zwei Wochen bei ihm aus und ist dann verschwunden, nein verschollen. Der einzige Freund im Leben scheint Kollege Schröder zu sein, über den Zorn aber eigentlich nichts weiß. Und die einzige Sorge, die Zorn hat, ist seine im Laufe der Jahre dahin schwindende Außenwirkung eines gutaussehenden Draufgängers. Ohne Schröder und ganz viel Glück wäre er aufgeschmissen und beginnt dies in diesem zweiten Teil der Reihe auch allmählich zu ahnen. Seine kurzen Momente der Einsicht auf die Realität lassen ihn trotz seiner enormen Schwächen menschlich erscheinen und Sympathiepunkte sammeln, denn alles in allem sind ihm die Fälle, dann doch nicht so egal, wie er es sich gerne weismachen würde wollen.
Die große Stärke dieses Krimis ist die klug unterhaltende Erzählkunst des Autors. Stephan Ludwig hat seine ganz eigene Art des Erzählens und geizt nicht mit Ironie und Sarkasmus. Trotzdem geht er mit seinen Figuren ehrlich um und gestaltet seine Hauptkommissare in seinem 2. Buch persönlicher, lässt den Leser ein bisschen hinter die jeweilige Fassade blicken. Die Morde sind grausam, aber nicht berechnend kaltblütig allein der literarischen Wirkung wegen. Die Szenerie ist glaubwürdig und die Motivation nachvollziehbar, dadurch erhält sich der Krimi seine Authentizität. Ich freue mich schon auf den nächsten Fall von Zorn und Schröder.