Mein Jahreshighlight: Spannend, kraftvoll, emotional

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Das Buch “Zugvögel” ist der 400-seitige Debütroman der Autorin Charlotte McConaghy, erschienen am 26.08.2020 im S. FISCHER Verlag. Das Buch erzählt von Franny in einer Zeit, in der fast alle Tiere, Vögel und Fische auf der Erde bereits ausgestorben sind. Franny fühlt sich insbesondere den Vögeln, aber auch der Wildheit des Meeres besonders verbunden, mehr als den Menschen und so wundert es kaum, dass sie selbst eher ruhelos und am liebsten auf Wanderschaft ist, immer auf der Suche nach Freiheit und dem Meer. Als die letzten Küstenseeschwalben ihre vermeintlich letzte Reise von Grönland in die Antarktis antreten, beschließt Franny auf der Suche nach Erlösung ihre Küstenseeschwalben zu begleiten und sich so den Naturgewalten des Atlantiks anzuvertrauen.
Die Autorin hatte mich bereits mit ihren ersten Worten:
“Die Tiere sterben. Bald sind wir hier ganz allein.” (Teil 1, Kapitel 1)
Der Schreibstil ist kraftvoll, poetisch und wunderschön und ruhig zugleich und schafft es, die Wildheit und Kraft der Ozeane und gleichzeitig auch die Anmut und Eleganz der Vögel auf beeindruckende und bewegende Weise zu beschreiben ohne je mit dem Finger auf Schuldige zu zeigen. Aufgrund der Thematik über die Sorge des Artensterbens ist der Roman von einer fast schon greifbaren Melancholie geprägt, die zudem durch tiefe Traurigkeit und Verzweiflung von Franny verstärkt wird, aber weit über den Klimawandel und das Artensterben allein hinausgeht.
Der Leser wird nicht nur auf die beschwerliche Reise in die Antarktis, sondern auch auf eine Reise in die Vergangenheit von Franny mitgenommen – genau genommen in mehreren Zeitschienen, die unabhängig voneinander erzählt werden. Was auf den ersten Blick verwirrend zu sein scheint, gibt dem Buch aber eine zusätzliche Dynamik und verstärkt den symbolhaften Charakter. Insbesondere die Eigenarten der Protagonistin Franny haben für mich einen herausragenden symbolischen Charakter: Einmal wirkt sie wie ein Vogel, oder auch das Meer und als Leser kann man immer wieder erahnen, welchen Schaden ihre Seele nimmt, wenn sie sich wider ihrer Natur verhält.
Aber auch die anderen Charaktere sind großartig. Insbesondere die Crew des Fischerbootes, mit dem Franny reist, ist ziemlich exzentrisch und es treffen viele unterschiedliche Einzelschicksale aufeinander, die die Stimmung des Buches nur noch weiter untermalen.
Für mich avanciert dieses Buch als mein persönliches Lese-Highlight des Jahres. Ich bin zutiefst beeindruckt, wie man mit Stille und beispielsweise dem Nicht-Vorhandensein von Vogelgezwitscher einen so starken Nachhall erzeugen kann, wie aber auch gleichzeitig die Liebe, Kraft, Wildheit, Anmut, Eleganz und Fragilität alles Seins thematisiert wird, ohne mit dem Finger zu zeigen und gleichzeitig auch ein hoffnungsvolles Ende zu bieten. Dieses Buch hat mich zutiefst bewegt und wird mir sicherlich noch lange im Gedächtnis bleiben.
Von mir gibt es eine absolute Leseempfehlung!