Menschen und Vögel auf einer letzten Reise

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petris Avatar

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Aufmerksam wurde ich auf dieses Buch eindeutig durch das wunderschöne Cover, bei dem einfach alles stimmt, das stimmige Bild der Seeschwalbe, dazu die Schriftart und die Farben, in denen die Schrift gehalten ist. Im Inneren gibt es dann noch ein zusätzliches Extra, die Schwalben tauchen sowohl beim Titel als auch zu Beginn der einzelnen Kapitel wieder als Grafiken auf. Ein sehr liebevoll gestaltetes Buch, das mag ich.
Der Titel ist ebenfalls großartig, kurz, prägnant macht er schon, ehe man den Klappentext liest, neugierig. Es geht um die Reise der letzten Seeschwalben, also passt er perfekt zur Geschichte, im Laufe der Lektüre stellt sich aber heraus, dass auch eine ganze Menge menschlicher Zugvögel eine Rolle spielen werden. Eine von ihnen ist Franny, die Protagonistin, geboren mit „Wanderfüßen“.
Sie hat es sich zum Ziel gemacht, dem Zug der letzten verbliebenen Küstenseeschwalben in den Süden zu folgen. Es gelingt ihr drei von ihnen mit Peilsendern zu versehen, doch dann muss sie noch ein Schiff finden, das sie mitnimmt. Eine schwierige Aufgabe, denn es gibt kaum noch Fischerboote, die Geschichte spielt in einer nahen Zukunft, in der die meisten Wildtiere ausgestorben sind, die Fischerei mit leergefischten Meeren und Protesten zu kämpfen hat. Franny hat Glück und landet auf der Saghani, einem der letzten Fischkutter. Dort trifft sie auf eine bunte, sehr besondere Crew, für mich eines der Highlights dieses Romans, wie ihre Charaktere und die Interaktion untereinander gezeichnet sind. An der Spitze steht der Kapitän Ennis, auch so ein Zugvogel.
Am Anfang stellen sich viele Fragen. Warum ist Frannys Mutter verschwunden? Warum hat ihr Mann Niall sie verlassen? Was ist in Frannys Vergangenheit passiert, dass sie so traumatisiert ist? Auf der Reise in den Süden, immer auf den Spuren der Küstenseeschwalben, erfahren wir nach und nach in Rückblicken mehr.
Die Autorin Charlotte McConaghy hat einen Abschluss als Drehbuchautorin, das merkt man! Sie kann wunderbare Bilder hervorrufen und eine Geschichte in gutem Timing sehr spannend erzählen. So mag man den Roman gar nicht mehr aus der Hand legen und liest ihn ziemlich rasch und muss aufpassen, wichtige Details, die oft nur in einem Satz oder Absatz erwähnt werden, die aber später noch eine Rolle spielen werden, nicht zu überlesen.
Sprachlich hat mir dieser Roman auch sehr gut gefallen, er war richtig schön zu lesen.
Allerdings hatte er kleine Lücken in der Plausibilität mancher Ereignisse, auch das Setting in einer nahen Zukunft, in der es keine Wildtiere mehr gibt, war mir nicht konsequent genug durchgeführt. Auch hält sie uns zu lange hin, bis sie beginnt, die offenen Fragen aufzulösen, bis zur Hälfte stellt sich Frage über Frage, das war mir ein wenig zu viel des Guten. Und einige Episoden waren mir zu überdramatisiert, da ist wohl die Drehbuchautorin mit ihr durchgegangen, im Film muss es für einen Wendepunkt immer ein wenig mehr sein. Das hätte dieser Roman gar nicht nötig gehabt.
Ein schöner Roman, den ich sehr gerne gelesen habe, der es aber nicht ganz in die Reihe meiner Lieblingsbücher geschafft hat. Auf alle Fälle ein überzeugendes Debüt und eine Autorin, von der wir hoffentlich noch hören werden.