Immer diese Besenwieslers!

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Ein weiterer bayerischer Krimi aber doch auch ganz anders. Gloria Gray hat in ihrem ersten Krimi viel selbst Erlebtes in die Handlung eingebaut. Sie schreibt aus Sicht von Vikky, Künstlerin in München, transsexuell und als Kind und Teenager in Übertreibling Opfer von üblen Nachstellungen. Von ihrem früheren Peiniger und Schulkameraden Toni Besenwiesler wird sie verdächtigt, an seiner Verurteilung wegen Mord schuld gewesen zu sein. In all den Jahren seiner Haft hat er sie mit Drohbriefen und einer angekündigten Rache in Angst und Schrecken versetzt. Vikky hat sich aber aus dieser Opferrolle emanzipiert und nimmt die Klärung des Falles selbst in die Hand. Die in dem Fall ermittelnde Polizei ist eher nebensächlich, zumal Vikky den Uniformierten sowieso nicht allzu viel zutraut, so von wegen Beamtenmentalität. Die Handlung erstreckt sich nur über etwa 48 Stunden, aber diese Stunden haben es in sich. Vikky, chaotisch, gerne abgelenkt, sprunghaft und oft abschweifend in ihrer Erzählweise, selten politisch korrekt, andererseits aber auch erstaunlich geerdet und vernünftig; mit der Unterstützung ihres Freundes Wolf und allerlei neuester Technik, mit viel Witz und Cleverness bringt sie den Fall zumindest für sich und ihre Freunde zu einem schnellen und glücklichen Ende.

Neben der vordergründigen Handlung gibt es da aber auch immer mal wieder schonungslos nüchterne Einsichten, zum einen in ihre eigene Szene LGBTQ, die schon dadurch, dass sie gerade angesagt ist, entsprechende Aufmerksamkeit erfährt. Und der Krimi damit auch. Aber auch darüber, dass, obwohl doch eigentlich alle zusammen in einem Boot sitzen, jeder sich selbst der nächste ist und man nicht mit Solidarität untereinander rechnen sollte.
Zum anderen aber auch in Bezug auf die Medien, die beeinflussbar sind und von schwierigen Themen die Finger lassen. „Und alternative Medien sind durch Framing und Sprachhygiene breitengesellschaftlich längst indiskutabel gemacht worden.“
Und außerdem ist auch die Korrumpierbarkeit von Beamten, vor allem im Bezug auf das organisierte Verbrechen ein Thema. Wobei der Fairness halber gesagt werden muss, Vikky lernt auch gute (und gutaussehende) Ermittler kennen und mögen.

Das Cover ist bayerischer als der Inhalt. Kühe, Edelweiß und Enzian sollen klarstellen, das Buch spielt in Bayern. Und für die Schickeria in München darf natürlich auch ein Aperol oder anderer Cocktail nicht fehlen. Das Buch ist gut und flüssig geschrieben, birgt aber so viel an Handlung und manchmal auch nur charmanten Nebensächlichkeiten, dass man es als Schnellleser am besten gleich zweimal hintereinander liest. Es ist amüsant, unterhaltsam, zeitweise schräg, dann aber auch wieder tiefgründig.