Ein charmantes Buch

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mirko Avatar

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Obwohl das physische Buch an sich für mich eher eine geringe Bedeutung hat, ist es hier eine Notiz wert. Denn die Gestaltung des Buchs ist wunderschön, tolle Farben, tolle doppeldeutige Symbolik. Karten und Kartenausschnitte der Wanderroute ziehen sich durch das ganze Buch. Im Gegensatz dazu ist allerdings der Titel nicht gelungen. Denn im Vergleich zum Originaltitel „You are here“ hat sich der deutsche Verlag dazu entschieden den Roman an Nicholls großen Erfolg „Zwei an einem Tag“ anzulehnen, was diesem Buch aber nicht gerecht wird.
Aber nun, zum wichtigsten, dem Inhalt: es handelt sich um einen typischen Nicholls-Roman. Sei es die Sprache, die Grundkonstruktion, die Gefühle, die er auslöst etc. Das macht er gewohnt souverän.
Ich mag die Geschichte, die Wanderung, welche die zwei Hauptprotagonisten Marnie und Michael zusammen unternehmen, nachdem ihre gemeinsame Freundin Cleo eine bunte Gruppe zusammengestellt hat. Allerdings hatte sie nicht geplant, gerade die beiden zu verkuppeln. Sie gehen von Küste zur Küste, von St Bees nach Robin Hood‘s Bay. Das weckt in mir Gefühle nach eigenen Reiseerfahrungen und hat mich an andere Reise-Romane denken lassen, zum Beispiel Cheryl Strayeds „Der große Trip“. Allerdings liegt bei Nicholls der Fokus eher auf der zwischenmenschlichen Ebene. Es geht um zwei Menschen, die in ihrer jeweiligen Partnerschaft nicht sehr erfolgreich waren und deshalb ein recht trostloses Single-Leben führen. Sie haben sich in ihrem Leben eingerichtet und sind damit irgendwie zufrieden, aber auch nicht wirklich glücklich. Wie er die beiden zueinander führt, ist schön und phasenweise witzig zu beobachten. Gleichzeitig muss ich aber auch sagen, dass mir das Ganze zu dialoglastig ist. Ich hätte mir noch mehr Landschaftsbeschreibungen gewünscht, welches die Dialoge zumindest in Teilen entlastet hätten. Das nimmt der Geschichte ein wenig von ihrer Dynamik und ist etwas langatmig. Und trotzdem mochte ich das Gesamtkonstrukt, das der Autor entworfen hat. Die Charaktere sind klischeehaft, aber dennoch liebenswert. Nicholls weiß, was er tut und er tut es mit einem Augenzwinkern. Das führt dazu, dass man bei ihm - und auch bei diesem Roman - mag, was man anderen Autoren vorwerfen würde. Er schreibt über das Alleinsein, die Liebe und die vielen Grauzonen dazwischen. Und die Gedanken, die er verarbeitet, sind gut und wertvoll. Und wie er das Ganze letztlich zu Ende bringt, ist ebenfalls gekonnt, schön, wenn auch nicht aus literarischer Sicht ergreifend.
Fazit: Als Liebesroman und vor dem Hintergrund, was der Autor beabsichtigt, hätte man gut und gerne 4 oder 5 Sterne geben können. Im Kontext literarischen Anspruchs muss ich leider ein bisschen davon abziehen.