Schritt für Schritt ins Herz

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eight_butterflies Avatar

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Manchmal sind es nicht große Gesten oder dramatische Wendungen, die eine Geschichte besonders machen, sondern das leise, stetige Annähern zweier Menschen, die sich selbst längst verloren glaubten. So erging es mir mit diesem Roman. Er erzählt von Marnie, einer zurückgezogenen Lektorin Ende dreißig, und Michael, einem etwas abgekämpften Erdkundelehrer Anfang vierzig. Zwei Menschen, deren Leben auf leisen Sohlen an ihnen vorbeizugehen scheint bis eine gemeinsame Bekannte sie zu einer Wanderung quer durch Nordengland einlädt.
Der Großteil der Geschichte spielt sich genau dort ab, in Nordengland auf matschigen Wegen, bei Dauerregen, unter nassen Jacken und mit schmerzenden Füßen. Und doch ist es gerade dieses Setting, das Marnie und Michael einander näher bringt. Ihre Gespräche wirken niemals konstruiert, sondern echt und voller kleiner Offenbarungen, Selbstzweifel, Rückblicke und vorsichtiger Hoffnung. Der Roman lässt uns tief in ihre Gedankenwelt eintauchen, manchmal aus beider Perspektive, was mir persönlich an einigen Stellen zu repetitiv war. Dennoch, die Charaktertiefe, die dadurch entsteht, ist bemerkenswert und entschädigt die teilweise langatmige Schilderung der Annäherung beider Protagonisten.
Was mich besonders berührt hat, ist die leise Melancholie, die über allem liegt, gepaart mit einem feinen, typisch britischen Humor. Beide Figuren tragen ihre Altlasten mit sich. Marnie, deren Leben durch äußere Erwartungen in eine Richtung gelenkt wurde, die sie selbst nie gewählt hätte. Und Michael, dessen Ehe an einem zerplatzten Traum zerbrochen ist. Diese Brüche machen sie nicht zu Opfern, sondern zu echten Menschen. Verletzlich, aber nicht hilflos. Hoffend, aber nicht naiv.
Das Buch ist nichts für Leserinnen und Leser, die große Spannungsbögen oder rasante Wendungen suchen. Vielmehr entfaltet es seine Kraft durch die leisen Töne, beim beobachtenden Lesen durch das Gehen, das Reden, das Schweigen. „Zwei in einem Leben“ ist ein sanfter und berührender Roman über Einsamkeit, zweite Chancen und darüber, wie wohltuend es sein kann, wenn man beim Gehen jemanden findet, mit dem man Schritt halten möchte. Ideal für ein verregnetes Wochenende mit Tee und Decke.