Sozialkritik im Gewand eines Fantasy Schökers

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sabisteb Avatar

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Ich fand das Buch super. Mit eines der besten Fantasy Bücher, die ich seit langem gelesen habe.
Der Autor verpackt die Sozialkritik an der heutigen Gesellschaft als Fantasy Buch und weißt den verschiedenen realen Gruppen einfach eine der gängigen Rassen zu, was den Leser zum Nachdenken über die aktuelle, reale politische Situation bringt.
Die zwesplitterten menschlichen Königkreiche befinden sich in einem seit sehr langem andauernden Religionskrieg, in welchem die Anhänger der verschiedenen Glaubensrichtungen ganze Dörfer andergläubiger niedermetzeln. Menschen, die davon genug haben und einfach nur in Frieden leben wollen fliehen mitterls Schleuserbanden in das Reich der Zwerge. Die Zwerge können das Glaubenskonzept der Menschen einfach nicht nachvollziehen:

_"Ist es denn unsere Schuld, dass die Menschen ihre Probleme mit Waffengewalt lössen können, anstatt sich zusammenzusetzen und vernünftig zu diskutieren, bis ein Kompromiss ausgehandelt ist?" (S. 47)_

Auch die Vorurteile gegen Flüchtlinge sind im Zwergenreich nicht anders als bei uns:

_"Du meinst, es geschieht wegen derselben religiösen Wahnvorstellungen, aus denen heraus manche Menschen angeblich unsere Zisternen vergiften und unsere Säuglinge entführen?" (S. 58)_

Das Reich der Zwerge entspricht etwa unserer Zeit der Industrialisierung gepaart mit einem auf Logik basierenden, atheistischen Wertekonzept mit allen uns damals und auch heute bekannten Problemen und einem aufkeimenden Sozialismus mit erster marxistischer Gesellschaftskritik und fatalen Schlüssen die in der menschlichen Gesellschaft in den 30er gezogen wurden.

_"Der Oberste Vorarbeiter versteht es meiner Meinung nach ausgezeichnet, seine wahren Motive zu verbergen. Ganz gleich, wie sehr er beteuert, dass im das Wohl des einfachen Arbeiters am Herzel liegt, glaube ich eher, die Interessen der Manufakturbetreiber bestimmen, wie der Bund regiert wird." (S. 49)

Doch der erhoffte Aufschwung blieb aus, da die immer zuverlässiger und effizienter arbeitenden Maschinen in den Manufakturen mehr Arbeitsplätze vernichteten, als die Eisenbhan schaffen konnte. (S. 50)

Die Arbeiter der Stirn denken sich immer neue Apparate aus, um uns das Leben zu erleichtern aber sie vergessen darüebr, dass ihre Erfindeungen den Arbeitern der hand nach und nach die Daseinsrundlage rauben, (S. 202)_


_"Die [...] Erkenntnis, die der Oberste Vorarbeiter gewonnen hat, ist die einzige Lösung für dieses Problem: WIr Zwerge brauchen mehr Land, denn mehr Land bedeutet mehr Vorhaben aller Art [...] und somit mehr Wohlstand für uns alle." (S. 164)_

Dazwischen die mystischen Elfen, die ihre technischen Errungenschaften an beide Seiten verkaufen und sich ansonsten aus allem heraushalten und so von beiden Seiten profitieren.

Eingebunden in diese gespannte politische Ausgangssituation soll Garep, ein "Sucher" = Inspektor, den Mord eines Zwerges durch seinen menschlichen Diener aufklären. Garep hat vor langer Zeit seine Frau verloren und seinen Sohn zu Pfelgeeltern gegeben. Seinen Kummer betäubt er mit dem Zwergenequivalent zu Opium: Blauflechte.
Zunächst erscheint der Fall ganz klar: Mord aus gekränkten Gefühlen. Als aber immer mehr wichtige Mitglieder der Zwergengesellschaft auf offener Straße von Menschen erschossen werden, die sich daraufhin selber richten, erkennt Garep, dass die Situation deutlich komplizierter und gefäherlicher als er zunächst vermutet hatte ist.
Gegen seinen Willen wird er in politische Intrigen verwickelt, die seinen ehemaligen Assistenten zu seinem schlimmsten Feind werden lassen und die ihn eine neue Liebe finden lassen, in den Augen einer menschlichen Frau.
Liebe über Speziesgrenzen hinweg, gepaart mit Gesellschaftkritik und politischer Intrige, das ist es, was dieses Buch trotz des Genres sogar recht anspruchsvoll macht, soweit man auch zwischen den Zeilen liest.
Thomas Plitschke schafft es auch durch Wortneuschöpfungen wie "Sucher" statt Inspekter oder der Kreation neuer, auf das Zwergenleben angepasster Sprichwörter _"Es bringt nichts nach Stützbalken zu verlangen, wenn der Schacht bereits eingestürzt ist._" (S. 420) eine stimmige und dichte Atmosphäre zu schaffen, die es dem Leser ermöglichen tief in diese neue Welt einzutauchen.
Ähnlich wie Tad Williams laufen im ersten Teil des Buches mehrere Handlungsstränge parallel, bis sich schließlich über die Geschichte hinweg die Handlungsstränge verknüpfen und wieder aufspanlten.
Das Titelbild scheint nach einen mir vorliegenden Katalog wohl nich kurzfristig geändert worden zu sein und zwar deutlich zum Besseren.