Aus dem Sterben für das Leben lernen

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singstar72 Avatar

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Man kann dieses Buch aus mehreren Blickwinkeln betrachten - und alle sind lohnend. Erstens einmal ist es ein Sachbuch, mit 12 Fallgeschichten aus dem Leben einer ambulanten Palliativschwester. Dann wieder ist es eine halbe Biographie - wie eine junge alleinerziehende Mutter in den USA doch noch zu ihrer Berufung als Krankenschwester fand. Und drittens bietet das Buch viele Einblicke in das soziale und Gesundheitssystem der USA, welches eigentlich keines ist.

Ich finde das Buch sehr ansprechend aufgebaut. Es beginnt mit dem kurzen Abriss der Lebensgeschichte der Autorin, und wie sie zu ihrem Beruf kam - eigentlich als Verlegenheitslösung. Danach folgen die 12 Fallgeschichten, jede einer bestimmten Person gewidmet, die sie betreut hat. Diese Geschichten sind mit viel Herz ausgesucht, da sie von jeder Person etwas Bestimmtes gelernt hat, was sie auch klar benennt.

Episoden aus der Lebensgeschichte der Autorin Hadley Vlahos sind durch alle Fallgeschichten hindurch weiter verteilt, und das auf durchaus schlüssige Weise. Immer angelehnt an etwas, das sie mit dem Patienten erlebt hat. Dazu verwendet sie eine eingängige Sprache, so dass es sich eigentlich wie ein Roman liest, nicht wie ein Sachbuch.

Ganz besonders berührt hat mich das Fazit am Schluss, in dem sie sich noch einmal bei jedem ihrer Patienten bedankt, für das, was sie von ihm lernen durfte. Hier habe ich fast ein paar Tränen verdrückt - schließlich bin auch ich in der Pflege tätig, und ich konnte zu vielem nur nicken, was Hadley hier beschrieben hat.

Die Autorin scheut auch nicht vor schwierigen oder strittigen Themen zurück. Immer wieder erlebt sie Dinge mit ihren Patienten, die in Grenzbereichen liegen. Da gibt es Voraussagungen, unerklärliche Präsenzen, eben die sprichwörtlichen "Zeichen und Wunder". Dafür muss man als Leser schon eine Ader haben! Es kommt auch nicht belehrend oder ultra-religiös daher, sondern wirkt wie eine logische Konsequenz aus langjähriger Berufspraxis. Die Tätigkeit am Rande des Lebens macht eben offen für solche Dinge.

Besonderen Mut beweist sie, als sie vom Suizid eines Angehörigen und dem Sterben ihrer eigenen Schwiegermutter berichtet. Auch hier - kein falsches Pathos, sondern ehrlich geschilderte Zweifel am eigenen Verhalten, und der Versuch, es in Zukunft besser zu machen.

Ehrlich schockiert hat mich die Schilderung des amerikanischen Gesundheitswesens. Dass man sich ausrechnen muss, ob man sich eine Behandlung leisten kann, oder ob man versichert bleiben kann! Hierzulande ziemlich undenkbar.

Das Buch lässt mich nachdenklich, aber auch erfüllt zurück. Es bietet viele gute Ansätze, um nachzudenken, und über das Leben zu staunen. Denn letztendlich gehört der Tod absolut dazu.