Poesie und Prosa

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Die ersten Seiten des Buches der britsch-brasilianischen Schriftstellerin Yara Rodrigues Fowler sind eine Herausforderung. Erst ein paar Worte von Sappho. Dann ein Prolog mit drei Gedichten (?!), die ebenso sperrig wie kryptisch sind und erarbeitet werden müssen.

Da ist das erste Kapitel, das mit "MILE END I (2016)" überschrieben ist, schon fast eine Erlösung: Ein flüssiger Text, der (wie im Klappentext) Ereignisse des Jahres 2016 auflistet und damit den Lesenden abholt und gewissermaßen den Rahmen aufspannt. Mel lernt ihre neue Mitbewohnerin Catarina kennen. Es ist ein Beschnuppern, Taxieren, das wunderbar beschrieben ist.

Das plastische Zeichnen von Personen und Situationen zieht sich durch die gut 500 Seiten des Buches.

Dennoch hat Yara Rodrigues Fowler einen etwas experimentell anmutenden Schreibstil, der die Lektüre teilweise etwas schwierig macht: Es gibt nur abschnittsweise richtigen Fließtext, manches wirkt abgehackt im Sinne von Wort- und Satzfetzen. Wörtliche Rede ist nicht als solche gekennzeichnet. Einzelne Kapitel wirken fast essayistisch.

Maria Meinel hat als Übersetzerin ganze Arbeit geleistet. Warum der Verlag für die deutsche Übersetzung aus dem Originaltitel "There are more things" das geflügelte Wort zu "Zwischen Himmel und Erde" fortführt, ist sein Geheimnis. Ich hätte "Mehr Dinge zwischen Himmel und Erde" schlüssiger gefunden.

Die Autorin und das Buch machen es den Leser:innen also nicht ganz leicht. Es ist ein Kunstwerk, das mit Sprache und Typografie spielt. Der Roman wird nicht jedem und jeder gefallen. Ich fand das Leseerlebnis anregend und spannend, empfehle aber tatsächlich die Leseprobe, um herauszufinden, ob einem der Stil der Autorin liegt.