Wenn ein plötzliches Ereignis alles verändert - emotional mitreißende Dreiecksgeschichte

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gluexklaus Avatar

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„Niemand küsst schlecht, wenn er den richtigen Menschen küsst.“

Kerry und Tim sind beste Freunde und planen, nach der Schule Medizin zu studieren. Kerry ist schon länger heimlich in Joel, den Star der Schulfußballmannschaft verliebt, der Profifußballer werden will. Tim hingegen möchte von Kerry mehr als nur ihre Freundschaft. In der Silvesternacht zur Jahrtausendwende werden die drei auf schicksalhafte Weise für immer verbunden: Joel erleidet einen Herzstillstand. Kerry ergreift die Initiative und schafft es mit Beatmung und Herz-Lungen-Massage, ihn wiederzubeleben. Tim kann zunächst nur geschockt daneben stehen.
Zunächst erfüllen sich die Träume der drei Figuren nicht und sie müssen sich neu orientieren: Kerry wird die ersehnte Zulassung zum Studium verweigert, Tim quälen permanent Versagensängste und Joels Herzproblem macht eine Profikarriere als Fußballer unmöglich. Und es gibt ein weiteres Problem: Die drei schaffen es nicht, einander und die Nacht, die alles veränderte, aus dem Kopf zu kriegen.

Autorin Eva Carter schreibt flüssig und klar in der ersten Person Singular, nimmt dabei abwechselnd die Perspektive der Hauptfiguren Kerry, Joel und Tim ein. Die Handlung wird chronologisch erzählt, vom 31. Dezember 1999 bis zum 1. Januar 2018. Der Roman beginnt nicht mit der eigentlichen Geschichte sondern mit einem Abschnitt, der mit „Die Überlebenskette: Teil eins“ betitelt ist. Hier werden die Leser direkt angesprochen und es wird erklärt, wie wichtig es ist, einen Notruf abzusetzen, wenn jemand einen Herzstillstand erleidet. Im Verlauf der Geschichte werden noch drei weitere Texte zur „Überlebenskette“ eingeschoben.

Eva Carter hat sehr besondere Figuren gezeichnet. Ihre Besonderheit liegt darin, dass sie durch ein extrem dramatisches Ereignis stark geprägt werden. Danach müssen sich die drei erst wiederfinden.
Für die ehrgeizige Kerry steht nach Joels Herzinfarkt umso mehr fest, dass sie erst recht als Ärztin arbeiten möchte. Doch ihr Traum rückt zunehmend in weite Ferne.
Tim hingegen beginnt zu zweifeln. Immer wieder kreisen seine Gedanken darum, nicht gut genug zu sein und nicht mehr als ein ahnungsloser Medizinstudent zu sein. Er gesteht: „„Ich weiß nicht, ob ich jemals gut genug sein werde, um als Arzt zu praktizieren.“ Meine tiefste Angst in einem Satz.“ Tim kann Kerry nicht glauben, wenn sie ihm antwortet: „Du wirst dich nicht immer so ahnungslos fühlen, Tim. Und in gewisser Weise ist es sogar besser, sich seiner selbst nicht immer ganz so sicher zu sein. Dann macht man weniger Fehler.“
Joel trifft es am härtesten. Seine Krankheit wirft ihn vollkommen aus der Bahn, zerstört all seine Pläne. Er hielt sich vorher für unverwundbar und muss nun mit seiner körperlichen Schwäche umzugehen lernen. Kerry erklärt er: „Ich bin ein Verlierer, Kerry. Sieh mich doch an. Rausgeputzt, um auf der Party von jemand anderem Drinks auszuschenken. Mehr wird aus mir nicht werden.“
Die interessante Figurenkonstellation ist nicht hauptsächlich durch die Eigenschaften der Personen, ihre Charakterisierung, definiert, sondern durch ihre Beziehung untereinander, die ständig präsent ist, auch wenn sich die Figuren nicht sehen. Das macht sie sehr reizvoll. Joel hat Probleme mit Tim: „Aber wir sind nicht befreundet. Ihn zu treffen, ist immer, als streue jemand Salz in meine Wunde.“ Mit Kerry, die für ihn sehr wichtig ist, ist es für Joel kaum leichter, wie dieser Satz beweist: „Kerry blinzelt. Ich habe sie wieder verletzt, weil das das Einzige ist, was ich kann.“

Die packende Dreiecksbeziehung bestimmt den Roman. Wer ist der Richtige für Kerry? Tim oder Joel? Und was werden die drei letztendlich aus ihrem Leben machen?
Eva Carter gelingt es, sehr eindrücklich zu zeigen, wie es ihren Figuren wirklich geht und was sie bewegt. Man leidet dabei zwangsläufig mit. Insgeheim war mir als Leserin längst klar, welchen Ausgang ich mir für die Figuren erhoffte und wer für Kerry der Richtige ist. Bis zum Ende macht es die Autorin aber mehr als spannend. Für mich war das ewige Hin und Her zwischen den Figuren ein bisschen zu viel der Verwirrung, dadurch wurde es mitunter fast langatmig und ich hätte mir an der ein oder anderen Stelle eine Straffung des Plots gewünscht.
Der Roman sensibilisiert für ein ernstes und wichtiges Thema: plötzliche Herzinfarkte, die jederzeit auftreten können. Es wird sehr deutlich, wie überlebenswichtig es ist, dass Ersthelfer sofort aktiv werden.
Auch das Thema Drogen spielt in der Geschichte eine wichtige Rolle. Einmal mehr wird der Teufelskreis der Drogensucht einsichtig und mit all seinen Schrecken dargestellt.

Trotz kleiner Schwächen im Plot hat mich die Geschichte um Kerry, Tim und Joel emotional gepackt und dabei ganz schön gefordert. Eva Carter zeigt, wie sehr Träume unser Sein bestimmen. Ihre drei Figuren demonstrieren, dass es manchmal richtig sein kann, daran festzuhalten und man manchmal aber auch akzeptieren muss, dass Träume unerreichbar sind, es aber durchaus Alternativen gibt.
Für mich hat „Zwischen zwei Herzschlägen“ nicht ganz die Qualität und Kraft von „Zwei an einem Tag“, aber es ist dennoch ein lesenswerter Roman voller Gefühle, der mir nicht so schnell aus dem Kopf gehen wird.