Die Metamorphose

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wilde hummel 1 Avatar

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Minna Rytisalo hat erneut das Frausein in den Mittelpunkt ihres neuen Romans gestellt. Der Roman 'Lempi' war geprägt von den unterschiedlichen Einschätzungen einer Frau (Lempi), die selbst nicht zu Wort kam. Zwischen zwei Leben widmet sich der Hinterfragung, was bedeutet Frausein, wieviel ist pure Sozialisation, Prägung, erzwungene Rollenbilder oder Anpassung an externe Erwartungen. Jenni, in der Mitte ihres Lebens, verlässt ihren Ehemann nachdem die Kinder aus dem Haus sind, steigt einfach aus aus ihrer bisherigen Wirklichkeit, um sich selber suchen zu gehen. Mit ihrem Auszug wechselt sie nicht nur ihren Namen in Jenny, sondern sie hinterfragt ihre zurückgelegte Geschichte. Jenny will ihre ureigensten Wünsche, ihren individuellen Wesenskern finden, wer ist sie, wenn sie die Anpassungen und Unterwerfungen hinterfragt, sortiert und teilweise verlässt. Dabei wird sie unterstützt von ihrer Therapeutin. Jenny schreibt fiktiv Briefe an Brigitte Macron, die sie nicht abschickt, die jedoch wie ein Tagebuch fungieren, ein Gegenüber sind. Besonders beeindruckt haben mich die eingefügten Märchenfiguren, Aschenputtel, Rapunzel, Schneewittchen und Dornröschen. Diese Märchenfrauen sprechen in der direkten Anrede zu Jenny und korrigieren so ganz nebenbei ihren Mythos. Dornröschen spricht: "Dir ist schon immer wichtig gewesen, anderen zu gefallen, und du dachtest, das sei dein eigener Wille" (Seite 94). Diese Märchenkorrekturen geben dem Roman eine besondere Struktur und Perspektivwechsel und entlassen die jungen Märchenwesen aus ihrer Opferrolle und bringen Emanzipation in alte Mythen. Ich hätte jedoch auch die 'bösen Märchenfrauen' (Stiefmütter, Hexen) gerne einmal gehört. Diese Metaebene im Roman, Jennys reflektierender Rückblick, die Briefe an Frau Macron und ihre Selbstermächtigung machen diesen Roman zu einem feministischen Kleinod.