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kaiderpa Avatar

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Minna Rytisalos Zwischen zwei Leben überzeugt auf vielfältige Weise und hinterlässt einen bleibenden Eindruck: Schon der erste Blick fällt auf das tolles Cover, das in seiner schlichten Eleganz eine Ahnung der inneren Stimmung weckt.

Bereits nach wenigen Seiten wird der wunderschöne Schreibstil deutlich – ein feines Gleichgewicht zwischen nüchtern und poetisch. Rytisalo schafft es, klare, fast kühle Beschreibungen mit emotional aufgeladenen Bildern zu verbinden. So bleibt das Geschehen stets nachvollziehbar, berührt aber zugleich auf einer tieferen Ebene. Diese Mischung erzeugt große atmosphärische Dichte – ohne überbordende Metaphorik, ohne zu karg zu wirken.

Die Entwicklung der Hauptfigur ist ein weiterer Höhepunkt: Eine tolle Charakterentwicklung der Protagonistin zeichnet den Roman aus. Ihre innere Reise von Unsicherheit bis zur bewussten Auseinandersetzung mit ihrer Identität, ihren Ängsten und Wünschen wirkt lebendig.

Besonders originell ist die Idee, Märchenfiguren als Beobachter und Kommentatoren einzusetzen. Diese Erzählerperspektive verleiht dem Roman etwas Fast-Magisches, bringt Reflexionsebene ins Spiel und eröffnet neue Bedeutungsschichten. Die Märchenfiguren sind nicht nur dekorativ, sondern tragen eine passende und interessante Geschichte sowie Charakterdarstellung in sich. Sie kommentieren nicht moralisch pionierend, sondern erlauben andere Sichtweisen – mal distanziert, mal empathisch, mal kritisch.

Allerdings wirkt die Geschichte gelegentlich konstruiert, um feministische Themen anzusprechen. Mitunter fühlt es sich so an, als sei das Thema Feminismus eher ein intendiertes Statement als organischer Bestandteil der Handlung; die Botschaft scheint manchmal stärker gewollt und weniger natürlich gewachsen. Zudem erscheinen einige Problemlösungen zu simpel: Konflikte lösen sich überraschend glatt, Entwicklungen laufen mancherorts sehr linear oder konstruiert ab, ohne jene Tiefe oder Komplexität, die zuvor in der Charakterarbeit suggeriert wurde.


Insgesamt ist Zwischen zwei Leben ein berührendes, stilistisch elegantes Werk mit originellem Aufbau – insbesondere dank der märchenhaften Erzählstruktur und der starken Protagonistin. Der poetische, aber nicht überbordende Erzählton sowie die fein ausbalancierte Charakterentwicklung machen das Buch zu einem lohnenswerten Leseerlebnis. Die wenigen Schwächen – eine leicht zu offensichtliche Feminismus-Instrumentalisierung und ein paar zu einfache Konfliktlösungen – trüben insgesamt nicht sehr, sondern weisen nur darauf hin, dass der Roman auf einigen Ebenen noch reichhaltiger und komplexer hätte sein können. Wer jedoch eine Klarheit liebende, zugleich empfindsame Lektüre mit mutiger Perspektive sucht, findet in diesem Buch viel Wertvolles – und wird sich auch nach dem Weiterlesen noch gern an es erinnern.