Etwas zwiegespalten...

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
saskian Avatar

Von

Der Einstieg in Zypressensommer ist atmosphärisch dicht, eindrucksvoll recherchiert und emotional aufgeladen. Besonders der historische Prolog überzeugt durch seine eindrückliche Schilderung der menschenunwürdigen Zustände italienischer Militärinternierter nach dem Waffenstillstand 1943. Teresa Simon gelingt es, mit klarer Sprache und starken Bildern ein Gefühl von Enge, Verzweiflung und Angst zu vermitteln. Gianni als Figur wirkt glaubwürdig, seine moralische Zerrissenheit und seine Sehnsucht nach einem friedlichen Leben berühren.

Im Kontrast dazu steht der Gegenwartsstrang um Julia, der deutlich leichter, fast schon konventionell beginnt. Hier kippt die Stimmung spürbar in Richtung einer eher typischen Toskana-Selbstfindungsgeschichte. Der Ton ist weniger eindringlich, stellenweise wirkt die Handlung etwas klischeehaft (Flughafenchaos, Mietwagenstress, leicht mysteriöses Erbe). Während die historische Erzählung Tiefe und emotionale Wucht entfaltet, scheint der moderne Erzählstrang zunächst eher funktional – als Brücke zu einer noch aufzulösenden Familiengeschichte.

Insgesamt macht der Roman einen vielversprechenden Eindruck, vor allem, wenn sich beide Zeitebenen gut verweben und die historischen Themen weiterhin mit der gleichen Ernsthaftigkeit behandelt werden. Ein wenig Skepsis bleibt, ob der Spagat zwischen dramatischer Zeitgeschichte und gefühlvollem Gegenwartsroman ohne allzu große Kontraste gelingt.