Auf Nonnos Spuren in der Toskana: eine verkannte Geschichte

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Einige Wochen nach dem Tod ihres Großvaters begibt sich die Hamburgerin Julia Matthiesen nach Lucignano in der Toskana. Ihr Nonno Gianni ist dort vor dem zweiten Weltkrieg aufgewachsen und hat Julia eine Liste gelassen, die sie zu entziffern versucht. In Lucignano scheint keiner Gianni Conti zu kennen, nicht mal der gutaussehende Matteo, der den gleichen, im Dorf seltenen, Nachname teilt. Bei der Recherche in der italienischen Vergangenheit ihres Nonnos entdeckt Julia, welches tragische Schicksal die Gegend um Lucignano im zweiten Weltkrieg erfahren musste.

Durch den Aufbau in zwei Zeitebenen erlebt der Leser hautnah einige der dunkelsten Kapitel der italienischen Geschichte mit. In ihrer Familie Conti hat Teresa Simon zwei ungleiche, aber beide interessante und liebenswerte Brüder geschaffen, die keine unterschiedlicheren Wege hätten einschlagen können. Der erstgeborene Gianni wurde als italienische Soldat verhaftet und nach Norddeutschland deportiert, wo er wie über einem halben Million Landsmänner als italienische Militärinternierter (IMI) versucht zu überleben. Sein Bruder Vito hat sich der Resistenza angeschlossen und kämpft als italienische Partisan in den toskanischen Bergen, um sein Land zu befreien.

Im gleichen Zeitebene bewegen sich auch zwei starke Frauen: Marieke in Hamburg und Giulia in Lucignano, die beide eine Rolle in Giannis Leben spielen. Die Italienerin, die als Stafetta die Resistenza unterstützt und jede Nacht ihr Leben riskiert, stellt die Vergangenheit dar, die er als IMI nicht mehr erreichen kann. Die Hamburgerin, die Gianni trotz aller Risiken unterstützt, ist letztendlich seine Zukunft.

In der Gegenwart entwickelt sich der Plot nach einem sehr voraussehbaren Plan, so dass man auch einige Ereignisse der Vergangenheit erraten kann, bevor sie wirklich beschrieben werden. Ein Glück auch, dass so viele Leute, auch Unbeteiligte, Deutsch sprechen und Julia auf ihrer Suche helfen können. Vielleicht nicht immer ganz realistisch, aber für die Spannung nötig.

Und Teresa Simon weiß, wie man eine spannende Geschichten über die Geschichte schreibt und in ihr historische und kulturelle Einzelheiten webt. Ein schönes Beispiel dafür ist der Albero d‘Oro, der Lucignanos ganzer Stolz ist. Ich musste unbedingt einige Fotos suchen, um seine überirdische Schönheit zu bestätigen. Zu der Region gehört auch die toskanische Gastronomie, der die Autorin am Ende des Buches mehrere Seiten widmet. So lecker sie auch klingen (und ich werde sicherlich das eine oder andere probieren), fand ich die zahlreichen Rezepte am Ende des Buch überflüssig, wenn nicht sogar unangebracht, in Anbetracht der schrecklichen Ereignisse, über die in diesem Roman berichtet wird.

Fazit: In Julias Begleitung habe ich eine wunderschöne und geschichtsträchtige Gegend kennengelernt. Auch die historischen Ereignisse und Einzelheiten, so wie der Nachwort, waren höchst interessant. Dieser Roman bietet lehrreiche und unterhaltsame Lesestunden bei einer faszinierenden Suche in verkannten Episoden der zweiten Weltkrieg.