Italienische Familiengeheimnisse

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hasirasi2 Avatar

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„Woher sollen wir wissen, wohin wir gehen, wenn wir nicht wissen, woher wir kommen?“ (S. 260)
Die Hamburger Goldschmiedin Julia ist überrascht, als sie nach dem Tod ihres Nonno (Großvater) Gianni Conti ein Blatt mit Hinweisen auf seine Heimat, das kleine Städtchen Lucignano in der Toskana, findet. Sie reist hin, um Nachforschungen über ihn anzustellen und lernt dabei den charismatischen Matteo Conti kennen. Bedeutet der identische Nachname etwa, dass sie verwandt sind? Gefallen würde ihr das nicht, sie hat sich nämlich auf den ersten Blick in ihn verguckt.

Schnell wird ihr klar, dass Julia nichts über ihren Nonno wusste. Weder er noch seine Frau oder Tochter, Julias Mutter, haben je über seine Vergangenheit oder Heimat gesprochen. Julia ist davon ausgegangen, dass er erst nach dem Krieg nach Deutschland kam, seine Frau kennenlernte und mit ihr zusammen den Feinkostladen in Ottensen betrieben hat. In Wahrheit gehörte er aber zu den italienischen Soldaten, die von der Wehrmacht als Zwangsarbeiter nach Deutschland gebracht wurden und unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten mussten.

In ihrem neuesten Roman „Zypressensommer“ beschäftigt sich Teresa Simon mit diesen Zwangsarbeitern und den italienische Partisanen, die sich in den Bergen versteckten haben, um gegen die Faschisten zu kämpfen. Dabei sind viele Familien zerbrochen oder haben sich aus den Augen verloren, so auch Gianni und sein Bruder Vito. Dieser Teil der Geschichte wird aus Sicht einer jungen Frau erzählt, welche die Partisanen unter dem Decknamen „Gufo nero“ (schwarze Eule) unterstützt hat.

Teresa Simon beschreibt die Zustände und Örtlichkeiten während des Krieges in Hamburg und Italien sehr bildlich, ich hatte beim Lesen mehr als einmal Gänsehaut.
Gianni sehnt sich nach seiner Heimat, seiner kleinen Schwester und seinem Bruder. Er hofft, dass der Krieg bald vorbei ist und schafft es, ein paar Briefe nach Hause zu schicken, bekommt aber kaum eine Antwort. In Italien gilt er längst als Kollaborateur – wenn er es schon nicht rechtzeitig zu den Partisanen geschafft hat, hätte er sich lieber umbringen sollen, anstatt auch noch für den Feind zu arbeiten. Außerdem war er heimlich verlobt und verzehrt sich natürlich auch nach seiner Angebeteten. Aber da sie es nie offiziell gemacht haben, kann er keinen Kontakt zu ihr aufnehmen. Sie weiß inzwischen kaum noch, wie sie sich gegen ihre aufdringlichen deutschen und italienischen Verehrer wehren soll.
„Zypressensommer“ erzählt, wie die Wehmacht mit den Einwohnern der besetzten Gebiete und Zwangsarbeitern umgegangen ist, dass die Besatzer sich genommen haben, was sie wollten, und wie unmenschlich und grausam sie dabei waren.

In der Gegenwart deckt Julia diese Vergangenheit auf und kommt dabei ihrer italienischen Verwandtschaft und einem Erbe auf die Spur, welches ihre gerade erst gefundene Familie gleich wieder entzweien könnte.
Ich habe nur 2 kleine Kritikpunkte: Die Liebesgeschichte in der Gegenwart war mir etwas zu viel und plötzlich, das hätte der Roman für mich nicht unbedingt gebraucht. Außerdem passte die Sprache nicht immer zum Alter der Protagonisten.

Ein wichtiges Buch #gegendasvergessen .