Schweigen

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bookworld91 Avatar

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Was ist bei der Trennung der Eltern wirklich passiert? Und wo ist mein Rückzugsort? Um diese und andere Fragen geht es im Roman „Garnett Girls“.

Die drei Schwestern Garnett haben es alle nicht leicht. Vom Vater verlassen wuchsen sie mit einer Mutter auf, die vieles verschwieg und sich auch wenig kümmert. Nun würde sich Rachel gerne aus den Familiencottage zurückziehen, Imogen steht kurz vor einer Hochzeit und Jungspund Sascha trägt ein Geheimnis mit sich, dass vieles aufwühlen könnte. Über den jungen Frauen steht noch Mutter Margo, bekannt für ihre rauschenden Partys. Dann kommt die Wahrheit nach und nach ans Licht und die Mauer des Schweigens beginnt zu bröckeln…



Ich habe gut in die Story reingefunden. Aus den verschiedenen Perspektiven habe ich die Garnett Frauen kennen gelernt und nach und nach verstanden, was die Thematik in der Familie ist. Mutter Margo zum Beispiel schweigt lieber, als sich mit den offensichtlichen Problemen zu befassen. Um den Schein eines intakten Lebens sowie ihr Ansehen zu wahren, veranstaltet sie regelmäßig Partys, wobei sie immer wieder jüngere Liebhaber hat. Die Partys und das Schweigen sind für sie Verdrängungsmechanismen, auch, damit sie sich keine Schuld eingestehen muss. Die jüngste Tochter Sascha kommt mit den Schweigen ihrer Mutter nur bedingt zurecht. Sie sucht sich selber und möchte dabei auch ihre Verbindung zum abwesenden Vater nachvollziehen können. Das fällt ihr nicht leicht und auch sie sucht Trost in sexuellen Abenteuern und ihrer Arbeit. Dabei schweigt sie ebenso wie ihre Mutter lange Zeit über ihre Probleme. Die mittlere Schwester Imogen sieht sich in einer ausweglosen Situation und sucht Halt im Elternhaus- das dies nicht mehr der Rückzugsort ihrer Kindheit ist, fällt ihr schwer zu akzeptieren. Auch sie schweigt über ihre Situation. Die älteste Schwester Rachel würde sich gerne zu ihrer eigenen Familie nach London zurückziehen, fühlt sich dem Cottage gegenüber jedoch verpflichtet, dass es nicht unter der Mauer des Schweigens verkommt. Schweigen scheint bei den Garnetts ein zentrales Thema zu sein. Es ist als würde man die Thematik dadurch verdrängen können. Auch die regelmäßigen Partys untermauern dieses Wegdenken von Problemen, als würde Alkohol und Feiern die Anliegen auflösen. Ich erkenne diese beiden Faktoren als Verdrängung der Schuld an. Die Garnett Frauen kommen in Situationen, für die sie nichts können, suchen aber den Auslöser und die Schuld bei sich. Erst am Ende kann eine Aussprache der Frauen dazu führen, die Probleme gemeinsam anzugehen.

So leicht mir der Einstieg auch fiel, mit voranschreitender Handlung war es schwierig, den einzelnen Entwicklungen zu folgen. Durch die Zeitsprünge und unausgesprochenen Geheimnisse fiel es mir persönlich schwer, die Handlung an sich aufzunehmen. Dazukommt, dass es phasenweise sehr träge und schleppend erzählt wurde, was für mich ein weiteres Indiz dafür ist, dass etwas verdrängt wird. Man möchte die Aufmerksamkeit von etwas weg lenken und die Situation überbrücken. Zudem werden zwei Tabus als natürlich dargestellt- die toxische Beziehung einer der Schwestern sowie das übermäßige Feiern nebst damit verbundenen Alkoholkonsum. Ähnlich wie das Schweigen der Frauen wird nicht angedeutet, dass dies nicht der beste Umgang ist oder Ausdruck einer Krankheit. Dadurch sehe ich hier trotz eines beeindruckenden Familienromans Luft nach oben und vergebe wohlwollende vier Sterne, weil es wichtige Themen sind und zum Nachdenken angeregt wird.